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„Ewigkeit, Ende und alles, was niemals begann“: Ritual von Ta-Nia für das Schauspiel Dortmund

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Von: Ralf Stiftel

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Ruby Commey in „Ewigkeit, Ende und alles, was niemals begann“ am Schauspiel Dortmund
Zärtlichkeit für Gebeine: Szene mit Ruby Commey aus „Ewigkeit, Ende und alles, was niemals begann“. © Birgit Hupfeld Rottstr.5 44793 B

Dortmund – Ein geliebter Mensch ist gestorben. Wie geht man damit um? Bevor wir Xo sehen, hören wir ihren Atem. Dann nähert sie sich der Puppe aus Weidenzweigen, die auf einem runden Lager ruht, das ebenso Bett sein kann wie Altar. Xo ergreift die Puppe, die ihre gestorbene Großmutter repräsentiert, trägt sie zu einem Kasten, legt sie hinein, entzündet ein Feuer.

Abschied für immer und die damit verbundenen Emotionen spielen Xo (Dena Abay) und Kofi (Simon Olubowale) wortlos. Das Publikum im Studio des Schauspiels Dortmund erlebt Umschwünge und Schwankungen mit, hört erschütterndes Schluchzen, das umschlägt in Lächeln und Freude. Eine schöne Erinnerung vielleicht. Es ist der Auftakt zu zwei intensiven Stunden, die sehr anders ablaufen als gemeinhin ein Theaterstück: „Ewigkeit, Ende und alles, was niemals begann“. Die New Yorker Bühnenkünstlerinnen Talia Paulette Oliveras und Nia Farrell haben 2020 den Stückemarkt beim Berliner Theatertreffen gewonnen. Der Preis war eine Produktion, die in Dortmund uraufgeführt wurde.

Das Duo Ta-Nia nutzt neue Spielformen. Ihre Kreation funktioniert nicht über eine Erzählhandlung. Die Akteure beziehen vielmehr das Publikum ein bei rituellen Handlungen. Ta-Nia greifen dabei auf afrikanische Überlieferungen ebenso zurück wie auf Elemente des Afro-Futurismus. So geht es bei der Trauerarbeit sehr viel um den Kontakt zu den Ahnen. Und es geht darum, das Selbstbild zu definieren: „Was können wir tun, um zu der Version unseres Selbst zu werden, der wir am Sterbebett begegnen wollen?“

Hilfe in diesem Findungsprozess erhalten Xo und Kofi von Shi-Shi (Ruby Commey), einer praktisch veranlagten Ahnin. Die zeigt ihre spirituelle Veranlagung, indem sie die Gebeine der Verstorbenen zärtlich in den Armen wiegt. Und sie hat Ratschläge ebenso wie kundige Hinweise für eine meditative Erkundung des Kronen-Chakras. Commey tritt in die Rolle einer Priesterin in einer Übergangszeremonie, einer Art Messe für die Ahninnen. Da wird ekstatisch getanzt, vielleicht, um die negative Energie abzuleiten. Und es werden Gebete gesprochen. Das Leben soll schließlich weitergehen.

In der Pause kann man einen Film anschauen, der weibliche Beschwörungshandlungen in einem Park zeigt: Frauen hängen weiße Gewänder in einen Baum, kuscheln sich aneinander auf einer Wiese, schauen hinaus in den Regen.

Zum Ende hin heitert sich die Stimmung der Performance auf. Shi-Shi setzt Xo und Kofi als Erben ein, als künftige Ahninnen. Sie knüpft Bedingungen an ihre Gabe, die man als Regeln für einen achtsamen Umgang mit der Welt nehmen kann. Da entfaltet das Anbringen von Klebestreifen auf Boden, Wänden, Zuschauerschuhen als symbolische Markierung einer Schule komisches Potenzial. Das Publikum, zuvor schon immer wieder angesprochen, wird nun zum Mitsprechen animiert.

Vielleicht sollte das Theater wieder zum kultischen Ort werden wie in der Antike. Die Performance von Ta-Nia probiert das im Übergangsritual der Ahninnen aus. Das lebt von der Wärme und Ausstrahlung der Darstellerinnen, in der Ruby Commeys Lächeln zum Ereignis wird. Großer Beifall.

22., 23.3., 25., 26.4.,

Tel. 0231/ 50 27 222

www.theaterdo.de

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