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„Emil Schumacher und die Form seiner Zeit“ wird in Hagen thematisiert

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Von: Achim Lettmann

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Die Espressomaschine von La Pavoni (Mailand), Modell „Diamante“ (verchromtes Eisen, Messing, Acryl), haben Bruno Munari und Enzo Mari entworfen.
Die Espressomaschine von La Pavoni (Mailand), Modell „Diamante“ (verchromtes Eisen, Messing, Acryl), haben Bruno Munari und Enzo Mari entworfen. Zu sehen ist der Designklassiker im Emil-Schumacher-Museum Hagen. © Schwingel/Hagen

Emil Schumacher erwarb vom Verkauf seiner abstrakten Bilder zeitgenössisches Produktdesign. Eine Schau im Schumacher Museum Hagen zeigt Beispiele aus der Sammlung Jacobi.

Hagen – Sein Lieblingsstück ist noch nicht restauriert. Sebastian Jacobi steht vor einem Küchenschrank im Emil-Schumacher-Museum. Es ist ein Möbel von 1927, das mit seiner Dreiteilung und den Schubfächern an eine spätere Variation der Typenküche erinnert, die Designliebhabern schwer im Magen liegt: Gelsenkirchener Barock. In Hagen ist nun die Urform dieser Möbelidee von Erich Dieckmann zu sehen, die zeitnah zur Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky entstanden ist. Dieckmann (1896–1944) zählt zu den weniger beachteten Bauhausschülern. Er folgte der Schule der Gestaltung nicht nach Dessau, sondern übernahm die Tischlereiwerkstatt 1925 in Weimar, wo er seine Typenmöbel und mehr entwickelte.

Solche Designgeschichten sind mit dem Sammler und Restaurator Sebastian Jacobi aus Bad Ems ins Künstler-Museum eingezogen. Der Grund dafür ist die neue Ausstellung „Emil Schumacher und die Form seiner Zeit“, mit der Direktor Rouven Lotz das Programm des Hauses erweitern will. Emil Schumacher (1912–1999) besaß zeitgenössische Möbel, die in ihrem avantgardistischem Anspruch ähnlich missverstanden wurden wie eine ganze Zeit lang auch die abstrakt-expressiven Werke des Hagener Malers selbst. Mit seiner Frau Ulla richtete Schumacher sein Wohnhaus ein, wie es der Erlös aus den eigenen Bilder zuließ. Der Künstler war immer wieder an besonderen Formen interessiert. So finden sich in der Ausstellung der „Grand-Prix-Stuhl“ (1957) von Arne Jacobsen und der Bachelor-Stuhl (1956) von Verner Panton, beide dänische Designer.

Die Ausstellung belässt es bei diesen zwei Beispielen aus Schumachers Hausstand. Wichtig ist den Kuratoren, dass brandneues Design mit der innovativen Kunst einer Zeit zusammen präsentiert werden. Also ist neben den Sitzgelegenheiten aus Dänemark die malerische Avantgarde der 1950er Jahre zu sehen. Schumachers abstraktes Gemälde „Tula“ in Brauntönen, Ernst Wilhelm Nays „Im umbrischen Hellblau“ (1952) und Otto Greis’ schwarzpastoser Materialstrom im Bild „Ohne Titel“ (1957). Gastkurator Sebastian Jacobi hat in offenen Kabinetten ab den 1920 Jahren bis in die 1980/90er Jahre eine persönliche Auswahl an Designklassikern ausgewählt. Es sind 170 Objekte aus seiner Sammlung, die rund 3000 Einzeltitel umfasst. Dass in Hagen bildende Kunst – rund 30 Bilder – gleichberechtigt zum stilbildenden Design präsentiert wird, freut den Sammler, der eine ähnliche Schau in Deutschland noch nicht gesehen hat. „Es ist alles miteinander verzahnt“, sagte Jacobi und meinte damit auch Produktentwicklungen. Beispielsweise sieht er in dem Lambda-Chair (1959) von Richard Sapper und Marco Zanuso (Mailand) einen Vorläufer des Monoblock-Stuhls. Während Sapper/Zanuso Metallblech in Form drückten, sollte das Massenprodukt aus Kunststoff stapelbar sein und das Sitzen billig machen – meist in Weiß. Als Zwischenschritt nennt Jacobi den Selene-Stuhl (1961–1968) von Vico Magistretti. Ausführende Firma war Artemide in Italien. Erst sei eine Form geschaffen worden, um dann den Stuhl aus einem Stück Kunststoff zu realisieren, erläutert der Designhistoriker.

Vor allem Interessenten für Produktdesign werden sich in der Schau wohlfühlen. Aus der Tischlerei Bauhaus Weimar ist der „Lattenstuhl“ von Marcel Breuer zu sehen. Dieser Armlehnstuhl Modell ti24 von 1922 wurde nie in Serie produziert. Außerdem sind der Sessel „Tugendhat“ von Mies von der Rohe, ein MR70 von 1930, und der vernickelt und verchromte Bandstahlrahmen des MR90 von 1929 ausgestellt. Mit dem „Barcelona“-Sessel wurde der Architekt auch zum international gefeierten Möbeldesigner.

Neben bekannten Namen wie Marcel Breuer mit dem Kulissentisch (1927), Marianne Brandt mit dem überarbeiten Wasserkessel (1926) und Wilhelm Wagenfeld mit seinem Glasgeschirr (1931) hält die Schau auch Modelle aus Italien bereit. Ein Tisch mit einer Standvorrichtung aus Papiermache mit Holzkern (1940) von Pierluigi Giordani erinnert an frühe Arte-Povera-Lösungen. Großartig ist die Espressomaschine von La Pavoni, die Enzo Mari und Bruno Munari 1956 entwarfen. Das Modell „Diamante“ imitierte die Flächen eines geschliffenen Edelsteins. Von der Firma Faema ist die Gastronomiemaschine P4 (1972) in beigefarbenem Kunststoff mit geschwungenen Zierrillen ausgestellt. 1972 lieferte Bayer (Leverkusen) das Material, das der Hitze aber nicht standhielt. Die Firma Pirelli, die vor allem als Reifenhersteller bekannt ist, produzierte 1949 Spielzeug-Katzen aus Schaumstoff von Bruno Munari. Klein und markant.

Ein großer Schwerpunkt der Ausstellung sind Lampen. Die Tizio-Leuchte von Richard Sapper, 1972 für einen Schreibtisch entworfen und ab den 1990-Jahren ein Verkaufsschlager weltweit, war anfangs ein Fall für den deutschen TÜV. Den Erfolg konnten die Techniker nicht verhindern. Aber Sebastian Jacobi bedauert, dass immer wieder spielerische Einfälle von Designern nicht die Anerkennung in Deutschland finden, die sie seiner Meinung nach verdient hätten.

Emil Schumacher wurde auf Designformen aufmerksam, als er 1952 mit der Gruppe „junger westen“ in der Kunsthalle Recklinghausen ausstellte. Der Direktor und Künstler Thomas Grochowiak hatte einzelne Möbelstücke in die Schau „Mensch und Form unserer Zeit“ gestellt. Schumacher lernte später bei Sammlern und Galeristen aus Italien das spielerische Moment des Gestaltens schätzen. Er war mit seinen Möbeln auf der Höhe der Zeit. Und eine La Pavoni „Piccola“ sorgte für echten Espresso im Hause Schumacher.

Bis 7.8.; di – so 12 – 18 Uhr; Tel. 02331/207 3138

www.esmh.de

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