Emil Schumachers Frühwerk wird mit der Sammlung Lepke in Hagen präsentiert

Die ersten Jahre des Künstlers Emil Schumacher werden derzeit im Hagener Schumacher-Museum ausgestellt. Die Sammlung Lepke bietet einen umfassenden Einblick.
Hagen – „Zirkusreiter“ ist ein Bild von Emil Schumacher, das Rudolf Lepke 1946 erwarb. Zwei Männer stehen auf einem Pferd und scheinen im tiefen Blau der Manege zu schweben. Einzelne Lichter und weiße Linien im Bildraum, die an ein Hochtrapez erinnern, erweitern die Zirkuskuppel zu einem Himmelzelt. Dieser stimmungsvolle Linolschnitt mit Tusche und Aquarellfarben von 1945 erscheint wie eine Gegenwelt zur Nachkriegswirklichkeit in Hagen. Schumacher konnte seine Kunst in der NS-Zeit nicht ausstellen. 1931 hatte er ein Studium der Werbegrafik in Dortmund begonnen, aber wieder abgebrochen. Er wollte nicht Teil der Propaganda werden. Auch eine Mitgliedschaft bei der Reichskammer der bildenden Künste strebte er nicht an.
Die Ausstellung „Das frühe Werk und die Sammlung Lepke“ im Emil-Schumacher-Museum blättert zurück in die Anfangsjahre eines Künstlers, der mit seinen expressiven Abstraktionen international bekannt werden sollte. Die Präsentation mit 70 kleinformatigen Bildern erinnert daran, dass Emil Schumacher (1912–1999) von Hagener Sammlerfamilien unterstützt wurde und seine Kunst entwickeln konnte.
Das Land lag in Schutt und Asche. Schumachers Holzschnitt „Wiedersehen in den Trümmern“ (1946) zeigt deformierte Menschenfiguren vor Stadtruinen. Eine Dystopie aus eigener Erfahrung. Wovon lebte Schumacher als freier Künstler? Im NS-Staat war er technischer Zeichner in einem Hagener Rüstungsbetrieb. Nach dem Krieg wollte er wieder freier Künstler sein, er spürte eine Berufung.
Das Sammlerehepaar Ruth und Rudolf Lepke erwarb Zeichnungen und Drucke. Mit Schumachers Ehefrau Ulla entwickelte sich eine Freundschaft. Neben dem Kunstinteresse verband beide Paare die Literatur. Schumachers Serie von 1948/50 zum Gilgamesch-Epos erwarben die Lepkes 1950. Vor allem der Ringkampf zwischen Gilgamesch und Endiku belegt, wie meisterlich Schumacher den Holzschnitt einsetzte, um die Körper der Rivalen im dramatischen Gegensatz zu verbinden. Der Sage nach schickten die Götter Endiku als herausforderndes Naturwesen. Gilgamesch hatte bereits die kulturellen Vorzüge der Stadt Uruk kennengelernt. Er musste sich positionieren. Richtungsfragen beschäftigten auch die junge Bundesrepublik.
Schumacher arbeitete mit einfachen Techniken. Sieben Blätter zeigen „Kleiner Junge“ (1947) mit Kohlestrichen am Tisch, im Hochstuhl. Auch die typischen Bewegungen eines Kindes sind eingefangen. Sein Sohn erscheint auf der Zeichnung „Ulrich“ (1948) ganz bei sich. Die „Nachdenklich blickende junge Frau“ (1948) wirkt dagegen gesprächsbereit – eine Tuschzeichnung.
Die Ausstellung ist sehr sehenswert, weil sie vermittelt, wie gewissenhaft sich Schumacher jedem Sujet und jeder Technik widmete. Eine Akt-Studie (Bleistift, 1932) verbirgt den Porträtierten hinter aufgestellen Oberschenkeln in einer Sitzhaltung mit geneigtem Kopf. Ein Körpervolumen ist hier geschaffen, das vor allem die Selbstwahrnehmung sinnlich einfasst. Im Linolschnitt „Die Reichen“ (1939) karikiert Schumacher enthemmte und füllige Mitmenschen, die mit seiner Lebenssituation wenig gemein haben. Die Tuschzeichnung „Regentag“ (1938) gruppiert Leute unter Schirmen vor einer Stadtsilhouette mit Kirchturm. Das ist schlicht und hinreißend zugleich.
Die Lepkes kauften auch Studienarbeiten und Vorkriegszeichnungen. Ihre Erwerbungen sind vollständig erhalten, weil Sohn Rudolf jr. (1944–2015) die Sammlung der musischen Kaufmannsfamilie pflegte. Gesammelt haben ebenfalls die Familien Breuer, Borgers und Voss aus Hagen. Der junge Künstler erhielt 1948 den Kunstpreis der Stadt Recklinghausen. Er zählte zur Vereinigung „junger westen“, zu Künstlern, die abstrakt arbeiteten.
Mit der flächigen Gouache „Flusslandschaft mit Stein“ (1947) markiert Museumsdirektor Rouven Lotz die Zeit, ab der sich Schumacher der Abstraktion widmete. Am Horizont sind hellrote Dächer von Häusern und Türmen erkennbar. Farbe wird nun eigenmächtig. Dazu bietet die Sammlung Lepke auch das Ölgemälde „Miss Havisham“ (1960). Das abstrakte Porträt (auf Presspappe) lässt eine helle Figur in pastos aufgetragenen Weiß und Grau aus der Dunkelheit des Bildgrunds auftauchen. Und es gibt großartige Radierungen („4/1961“), die feine Gespinste und Linien im flächigen Raum ausstreuen, dass man gar nicht weiß, ob die Struktur etwas Werdendes festhält oder Überreste des Vergangenem wiedergegeben hat. Ein beeindruckendes Frühwerk.
Bis 26.3.2023; di – so 12 – 18 Uhr; Tel. 02331/207 3138; ein Katalog erscheint frühestens im Januar 2023; www.esmh.de