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Kunstsammlung NRW zeigt die Ausstellung „Dialog im Wandel. The Walther Collection“ im K21

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Von: Achim Lettmann

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Postkoloniale Architektur zeigt der Fotograf Guy Tillim. „Grande Hotel, Beira, Mosambik“ (2008).
Postkoloniale Architektur zeigt der Fotograf Guy Tillim. „Grande Hotel, Beira, Mosambik“ (2008). © Tillim. Stevenson, Kapstadt und Johannesburg. The Walther Collection Neu-Ulm/New York

Das postkoloniale Afrika wird in einer Ausstellung des K21 in Düsseldorf sichtbar. Rund 500 Fotografien von afrikanischen Fotokünstlern bietet „Dialoge im Wandel“.

Düsseldorf – Ihr Afrolook war Programm. Das krause Kopfhaar trug die US-Bürgerrechtlerin Angela Davis voller Stolz und mit politischer Absicht. Es war ein Signal gegen das Establishment. Black Power nannte eine schwarze Community dieses Aufbegehren in den 60/70er Jahren. Davis, Philosophin und Schriftstellerin aus Alabama, galt als Symbolfigur der Bewegung. Ihr Erscheinungsbild imitierte der Fotokünstler Samuel Fosso im Jahr 2008. Er setzte sich eine Perücke auf: „Selbstporträt (Angela Davis)“ hieß das dann. Fosso, 1962 in Kumba (Kamerun) geboren, untersuchte die Wirkmacht, die Fotografien von Bürger- und Freiheitsrechtlern auslösten. Er hinterfragt mit der Serie „African Spirits“ (Afrikanische Geister) ikonische Bilder: Muhammad Ali, Malcom X, Martin Luther King, Nelson Mandela und andere. Immer ist es Samuel Fosso, der in die Rollen schlüpfte und die Prominenten verkörperte, die international für Widerstand, für etwas Unverwechselbares standen. Ihre Porträts verbinden den Freiheitsanspruch mit Integrität. Und Wille und Kraft dieser Protagonisten sind Teil einer bildlichen Akzeptanzstrategie, die in mehrheitlich weißen Gesellschaften spürbar wurde.

Die Ausstellung im K21 dokumentiert vor allem Veränderungen im Kunstbetrieb. „Dialog im Wandel. Fotografien aus The Walther Collection“ versammelt über 500 Lichtbilder, teils in Installationen, von rund 40 Fotografinnen und Fotografen mit afrikanischer Herkunft und einigen Europäern. Initiator des Wandels war Okwui Enwezor (1963–2019). Der Nigerianer, der 2002 die documenta 11 in Kassel kuratierte, richtete 2010 die Gruppenschau „Momente des Selbst“ über Porträtfotografie und soziale Identität in der The Walther Collection in Neu-Ulm ein. Enwezor sieht in der Geschichte der Fotografie viele Widersprüche. Statt der Chronologie einer im Westen entwickelten Fotopraxis nachzugeben, entwirft seine Theorie der Fotogeschichte ein globales Verständnis der Fotokultur.

Die Ausstellung in Düsseldorf belegt diese Aussage mit Gegenüberstellungen. Auf der einen Seite finden sich Porträts von Seydou Këita (1923–2001) aus Mali, auf der anderen Seite des Kabinetts „Porträt und sozialer Wandel“ sind Auszüge der Fotoserie „Antlitz der Zeit“ des Deutschen August Sander (1876–1964) zu sehen. Këitas Porträts (1952–1955), vor der Unabhängigkeit Malis ausgeführt, gaben den Einzelnen die Gewissheit, attraktiv und selbstbewusst zu sein. Eine junge Frau fühlt sich mit dem Lichtbild („Untitled“) repräsentiert – auffällig gekleidet und mit Kopfbedeckung. Bei August Sander werden die Porträtierten in ihren Milieus und Berufen erfasst: Bauernpaare, Handwerker, Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter. Es sind 60 Silbergelantinedrucke von 1929. Ihr Standesbewusstsein wird visuell manifestiert. Für Sander ein „Spiegel der Zeit“. Këita hinterließ mit 30 000 Schwarzweißbildern in der Hauptstadt Bamako ein Panorama malischen Lebens im 20. Jahrhundert.

In einer zweiten Gegenüberstellung werden Frauenfrisuren in Nigeria gezeigt, die J.D. ‘Okhai Ojeikere (1930–2014) fotografierte. „Hairstyles, 1970–1979“ sichert die Vielfalt eines Kunsthandwerks, das nationale Identität ausdrückt. Der Fotograf fördert mit seinem Projekt das kollektive Erinnern. 1000 Fotografien umfasst die typologische Studie zum Haareflechten. Erinnern wollten auch Bernd (1931–2007) und Hilla (1934–2015) Becher mit ihren Fotoserien zu verfallenden Industriebauten: Fördertürme, Wasserspeicher und Gasbehälter sind formenreiche Beispiele in Düsseldorf für den Niedergang industrieller Bautypen in den 70/80er Jahren.

Ausgehend von der Ausstellung „Inside“ im New Yorker Guggenheim-Museum im Jahr 1996, interessierte sich Artur Walther für afrikanische Fotografie. Neben weltweiten Wanderausstellungen fördert die Stiftung The Walther Collection in Neu-Ulm und New York Präsentationen, Publikationen und Forschungen zur Fotografie. Auch Japan und China, sowie historische Fotokonvolute sind für die Stiftung interessant. Kunstsammler Artur Walther (73) hat für sein Engagement nun den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photografie erhalten.

In Düsseldorf überzeugt die afrikanische Fotografie. Am Beispiel des Landschafts- und Porträtbilds wird den Fremdzuschreibungen aus kolonialer Zeit eine vielschichtige Auseinandersetzung mit dem postkolonialen Erbe Afrikas entgegengesetzt. Der Chronistenpflicht wird in einer Vitrine genügt. Stereotypen auf Postkarten des 19. Jahrhunderts weisen Afrikaner ethnografisch als Krieger, Jäger oder niedliche Exoten aus.

Sehr präzise dokumentiert Yto Barrada, 1971 in Paris geboren, dagegen mit ihrem Werkzyklus „Sleepers“ (2006) ein Beispiel afrikanischer Identität heute. Ihre Fotos zeigen Menschen, die unbeweglich daliegen. Schnell sind Gewalt und Drogen assoziiert – aus europäischer Sicht. Die Schlafenden wollen allerdings über Tanger nach Gibralter. Ihren Pass verbrannt, gelten sie als „Burners“, Menschen, die alles auslöschen, um in einem gelobten Land neu anzufangen.

Auch Jo Ractliffes Schwarzweißserie „Die Länder am Ende der Welt“ (2009/10) hat eine eigene Sprache. Die rund 50 Landschaftsbilder zeigen ehemalige Kriegsschauplätze in Angola: Massengräber in Cassinga, wo Planen abgesteckte Flächen überspannen; eine Höhle, die Soldaten diente und ein verminter Wald „an der Straße nach Cuito Cunavale“. Dagegen hält Guy Tillim (Südafrika) die postkoloniale Architektur als monströsen Überrest einer bizarren Vergangenheit fest. „Grande Hotel, Beira, Mosambik“ kennzeichnet das zerbrochene Versprechen, mit Tourismus Geld zu verdienen, inmitten der Natur. Ein Farbfoto von 2008.

Koloniale Relikte hat François-Xavier Gbré (Elfenbeinküste/Frankreich) aufgespürt. Alles wie vergessen: der Renault in der Garage, die Lettern in einer Druckerei, die Wandmalerei am Gouverneurspalast. Subjektive Erinnerung verbindet sich mit Geschichte in der 63-teiligen Serie „Untitled (Constellation)“ von 2013, ob in Benin, Togo oder anderswo.

Den Streetstyle von Johannesburg dokumentiert Nontsikelelo Veleko (Südafrika) mit farbigen Porträts. Im Bild „Nonkululeko“ (2003) trägt eine Passantin einen gelben Pulli, Army-Hose und rote Strümpfe. Ihre Handtasche aus recycelten Coca-Cola-Dosen ist einfach hip. Wie wird Identität über Mode konstruiert, fragt Veleko mit ihrer Serie „Schönheit liegt im Auge des Betrachtenden“. Solche Serien lassen sich in Städten weltweit fotografieren.

Bis 25.9.; di – fr 10 – 18 Uhr, sa/so 11 – 18 Uhr;

Tel. 0211/83 81 204; www.kunstsammlung.de

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