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Der Hartware Medienkunstverein Dortmund zeigt Arbeiten der britischen Künstlerin Fiona Banner

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Von: Ralf Stiftel

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Filmstill aus Fiona Banners Video „Pranayama Organ“, zu sehen im Dortmunder U
Sie tun nichts, sie wollen nur tanzen: Ein Filmstill aus Fiona Banners Video „Pranayama Organ“, zu sehen im Dortmunder U. © Fiona Banner aka The Vanity Press und Galerie Barbara Thumm, Berlin

Dortmund – Wenn man den Vorhang am Eingang des Hartware Medienkunstvereins im Dortmunder U durchschreitet, empfängt einen dröhnender Orgelklang. Man wendet sich zur Leinwand, wo sich eine seltsame Szene in einer Küstenlandschaft abspielt. Zwei stahlgraue Wesen scheinen aus dem Schlaf zu erwachen, richten sich auf, werden lebhafter, gehen aufeinander zu, wenden sich wieder ab. Langsam erkennt man die Konturen von Kampfjets, nachgebaut aus Plastik, aufblasbar wie Schwimmtiere oder Luftmatratzen.

Man erkennt die Menschen, die den „Falcon“ und den „Typhoon“ bewegen, und erst da kann man die Größe einschätzen. Es wirkt wie ein Tanz von Urwesen. Mal scheinen sie miteinander zu kämpfen, dann sieht es aus wie ein Balzen, eine Paarung, die schließlich in einer Erschlaffung endet.

In ihrer Videoarbeit „Pranayama Organ“ (2021) verwandelt die britische Künstlerin Fiona Banner die Attrappen von Kampfflugzeugen in surreale Geschöpfe. Hier bekommt man keine Angst, fühlt sich nicht bedroht von den seltsamen Ritualen. Der Film entfaltet einen großen Sog, man schaut dem schrägen Treiben, diesem absurden Akt der Befriedung, einfach gern zu.

Inke Arns, Direktorin des Medienkunstvereins, hat die Arbeit bei der Biennale in Venedig gesehen. Nun bildet sie den Kern der Ausstellung „Pranayama Typhoon Soft Parts Wing Flap Fin“, eine erweiterte Version.

Fiona Banner arbeitet mit einigen durchlaufenden Motiven. Das Atmen gehört dazu, das im Soundtrack zum Video eine wichtige Rolle spielt – und auch die Orgel ist ja ein atmendes Instrument, zum Klingen gebracht durch mechanische Lungen. „Pranayama“ bezeichnet eine Atemtechnik im Yoga. Die Musik, die gespielt wird, ist der Song „Wild is the Wind“. Und die Luft ist es auch, die den Aufblasflugzeugen erst ihre Gestalt, ihr Leben verleiht. Selbst der Typhoon-Jet heißt nach einem Wind. Die Installation in Dortmund wird ergänzt durch drei Aufblaskissen, auf denen Besucher Platz nehmen können. Die Sitzelemente sind Flugzeugteilen nachgeformt. Und gegenüber der Leinwand liegt ein reales großes Aufblasflugzeug, ein „Falcon“, etwas schlaff, und wenn man länger hinschaut, bemerkt man, dass es sich bewegt, als würde es atmen. Fiona Banner hat sich das nicht ausgedacht, es gibt solche Attrappen auf dem Markt. Militärs nutzen sie als Ablenkung, damit eventuelle Angreifer ihre Munition an die Nachbauten verschwenden.

In der aktuellen Situation wirken diese Kunstwerke der Entwaffnung, als hätte Banner den Krieg in der Ukraine kommentieren wollen. Aber die Arbeiten entstanden schon vor dem russischen Überfall. Ihre überzeugende, spielerisch heitere Friedensbotschaft entsteht durch den aktuellen Betrachter.

Banner, die sich auch The Vanity Press nennt, seit sie sich 2009 eine ISBN-Nummer gab und als Publikation registrierte, setzt oft Texte und Zeichen als Elemente ihrer Kunst ein. Ein Begleitheft zur Schau enthält ein absurdes, kurzes Dialogstück von ihr mit dem britischen Schriftsteller Tom McCarthy.

An mehreren Stellen findet man Ölgemälde. Es sind Fundstücke zum Beispiel von Flohmärkten, bei denen die Künstlerin die ursprünglichen Kriegsschiffe übermalt hat. Nun sieht man stattdessen harmlose Punkte oder Kommata in der wilden See.

Eine weitere Arbeit ist nur aus der Nähe als Video zu erkennen: Eine Anzeigetafel wie aus der Kirche zeigt nicht die Nummern aus dem Gesangbuch, sondern eine, ihre ISBN-Nummer im tageszeitlich wechselnden Licht.

Bis 29.1.2023, di – so 11 – 18, do, fr bis 20 Uhr, www.hmkv.de

Ausstellungsgespräch mit Fiona Banner und Tom McCarthy, 20.10., 19 Uhr

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