Münster- Am Montag machte der Künstler Schlagzeilen: Da wurde seine „Shot Sage Blue Marilyn“ für 195 Millionen Dollar verkauft, als teuerstes Gemälde eines Künstlers aus dem 20. Jahrhundert. Am Samstag startet die Ausstellung des Picasso-Museums. Dessen Direktor Markus Müller sieht den Rekordpreis mit gemischten Gefühlen. Einerseits sei es kostenlose Werbung. Andererseits treibe es die Versicherungskosten in die Höhe.
Wenn es ein Künstler an Popularität mit dem Patron des Picasso-Museums aufnehmen kann, dann Andy Warhol (1928–1987). In Münster bekommt der Besucher alle Schaffensphasen präsentiert. Bis zu den Kostbarkeiten. Die Marilyns, die das Museum zeigt, unterscheiden sich sich in der Technik nicht von der versteigerten Version, erläutert Kuratorin Ann-Katrin Hahn. Alle Fassungen sind als Siebdruck entstanden, mit deckenden, satten Farben. Nur dass das Rekordbild auf Leinwand gedruckt wurde. Die Arbeiten in Münster hingegen sind auf Papier, was sich im niedrigeren Marktwert niederschlägt.
Die Ausstellung kam ins Haus: Ein deutscher Privatsammler meldete sich vor zwei Jahren und fragte, ob seine Sammlung etwas für das Museum wäre. Zwar hat Picasso den jungen Kollegen ignoriert. Aber als Herr eines Hauses mit dem Schwerpunkt Grafik konnte Müller nicht widerstehen. Zumal Warhol Picasso bewunderte. Und die Sammlung mit Besonderheiten wie Künstlerexemplaren, Probedrucken und Unikaten war seit 20 Jahren nicht mehr ausgestellt.
Nun also bieten genau 78 Blätter, die komplette Kollektion, eine gute Übersicht über das druckgrafische Werk des Einwanderersohns, der den amerikanischen Traum verwirklichte. Die Schau beginnt mit frühen Werken aus den 1950er Jahren, als Warhol noch ein gefragter Werbegrafiker war. Die zweiteilige Lithografie „Shoe and Leg“ (um 1955) erinnert daran, dass Warhols wichtigster Kunde zu der Zeit eine Schuhfabrik war. Da arbeitet er noch mit dem fragilen, linienbetonten Zeichenstil, für den er in der Branche geschätzt wurde.
Obwohl Warhol zu den bestbezahlten Grafikdesignern gehörte, wandte er sich der freien Kunst zu. Er erschloss von 1960 an Warenwelt und Konsum, das Triviale und Populäre der Kunst. Müller sagt, dass Warhol der käuflichste der Künstler des 20. Jahrhunderts war. In seiner Phase der Business Art konnte jeder für 25 000 Dollar ein Bild von ihm bekommen, ein Porträt oder ein anderes Motiv.
Die Ausstellung zeigt nun die ganze Bandbreite von Warhols Bildwelten. Im Vordergrund, so Kuratorin Hahn, standen immer die Porträts. Das waren gerne Filmstars. Neben der Monroe sieht man Liz Taylor, Grace Kelly, Ingrid Bergman, Liza Minelli, Jane Fonda. Die Porträts basieren auf Fotografien. Anfangs verfremdete der Künstler mit kräftigen Farben das Motiv. Später unterstrich der Künstler mit dünnen Linien Konturen für den typischen Warhol-Touch. So porträtierte er auch Queen Elizabeth II. (1985). Um das Bild noch etwas kostbarer erscheinen zu lassen, fügte er der Druckfarbe Diamantenstaub (gemahlenes Glas) hinzu, und nun glitzert die Regentin entsprechend. Die selbe Veredelung gewährte er schon der Darstellung seines Kollegen Joseph Beuys (1980). Prinzessin Caroline von Monaco zeigt er 1983 wie in einer Mehrfachbelichtung in vier sich überlagernden Silhouetten.
Man kann auch die Serie der „Cows“ als Porträts auffassen: Stoisch blickt uns der Kuhkopf in verschieden kolorierten Versionen (entstanden zwischen 1966 und 1976) an. Oder die amerikanischen Mythen, zwei Blätter (1981) zeigen Uncle Sam und eine grünhäutige Hexe, die hämisch lacht. Oder bedrohte Tierarten wie den Weißkopfseeadler, das Wappentier der USA (1983).
Bekannt wurde Warhol anfangs, indem er Motive der Warenwelt aufgriff. Die Dosensuppen von Campbell‘s wurden zu Ikonen der Pop Art, in Münster sieht man Versionen, die für Ausstellungen auf Papiertüten gedruckt wurden. Aber er blieb immer auch Werbegrafiker, entwarf Blätter für Zigaretten und Wodka und übersetzte sogar den angebissenen Apfel von Macintosh in seine Bildfarbe, im Regenbogendesign (1985).
Manche Kritiker sehen Warhol als Zeitkritiker. Das Dollarzeichen wird bei ihm zum ironischen Wappen des Kapitalismus. Zeitungsfotos werden zur Vorlage einer Grafik über Proteste gegen Rassismus (Birmingham Race Riot, 1964). Die Serie „Flash – November 22, 1963“ (1968) reagiert auf die Ermordung des Präsidenten Kennedy, da schon im Rückblick, als Reflexion eines nationalen Traumas. Eins der schaurigsten Motive ist dem Hinrichtungsinstrument gewidmet: „Electric Chair“ (1971). Die Bilder sind dabei offen, auf eine explizite Position kann man Warhol nicht festlegen.
Ergänzend zu den Grafiken zeigt das Museum in zwei Räumen acht Experimentalfilme, die Warhol zwischen 1964 und 1966 drehte, die „Screen Tests“ unter anderem mit Marcel Duchamp, Salvador Dalì, dem Schauspieler Paul America, den Musikern Nico und Lou Reed von Velvet Underground. Dabei standen die Porträtierten rund vier Minuten möglichst reglos vor der Kamera.
Am Ende sieht man Drucke, in denen Warhol Details aus Werken alter Meister wie Leonardo da Vinci und Botticelli variiert. Es ist der Übergang zur Studiopräsentation mit Werken Picassos. Mit Werken der Sammlung wird nachgezeichnet, wie der spanische Künstler Motive von Cranach, El Greco, Manet aufgriff.
Bis 18.9., di – so 10 – 18 Uhr, Tel. 0251/ 414 4710, www.picassomuseum.de, Katalog, Kettler Verlag, Dortmund, 18,90 Euro