Das Königliche Museum präsentiert auf 21 000 Quadratmetern eine Auswahl von 600 Gemälden, Skulpturen und Papierarbeiten. Und es kann auf 1500 Quadratmetern Wechselausstellungen zeigen, ohne Abstriche bei der ständigen Schau machen zu müssen. Der Besucher hat sozusagen die Wahl zwischen zwei Museumswelten. Da ist zum einen der Altbau, in dem als Schwerpunkt die Alten Meistern vor allem aus Flandern präsentiert werden. Hier wurden Umbauten aus den vergangenen Jahrzehnten entfernt, das Dekor wie zum Beispiel die vergoldeten Stukkaturen aufgefrischt, eine moderne Museumstechnik installiert. Man bewegt sich durch Räume, die dem Stand von 1890 wieder angenähert wurden. So wurden Säulen freigelegt, die lange hinter Scheinwänden verborgen waren. Die Saalfluchten erlauben nun einen Durchgang, bei dem man nicht die Orientierung verliert. Besonders der monumentale Rubenssaal beeindruckt. Hier sind große Altartafeln von Rubens, Anthony van Dyck und Jacob Jordaens zu sehen, die aus Antwerpener Kirchen stammen. Von Rubens besitzt das KMSKA 27 Gemälde und rund 700 Grafikblätter, kein repräsentativer Bestand des vielseitigen Barockmeisters, aber dafür sind Spitzenwerke vertreten wie der „Anbetung der Könige“ (1624).
Aber auch in der Moderne hat das Haus Spitzenkunst zu zeigen. Der Neubau präsentiert sich als Ensemble rundum weiß lackierter, lang gestreckter Galerien. Sie alle haben Tageslicht, das von 198 Skylights auf dem Dach durch Schächte bis ins Erdgeschoss geführt wird. Die Kunst wird auf zwei Etagen gezeigt, sowie in den lichtgedämpften, tiefschwarzen Zwischenetagen, wo Grafik und Kleinskulpturen zu sehen sind. Es gibt Effekte wie die „Stairway To Heaven“, eine schmale, steile Treppe, die 22 Meter mit 103 Stufen überwindet. Die White-Kube-Ästhetik ist gewöhnungsbedürftig. Die Bilder spiegeln sich im Boden, was sich allerdings in kurzer Zeit ändern dürfte, weil schon die ersten Besucher Spuren auf dem Weiß hinterließen.
Auch in der modernen Kunst hat das Haus seine Stärken. So besitzt es die größte Sammlung mit Werken James Ensors, 39 Gemälde und 600 Arbeiten auf Papier, darunter ikonische Gemälde wie die „Austernesserin“ (1882) und die „Intrige“ (1890), das wohl expressivste Maskenbild des Pioniers der Moderne. Wie Rubens hat er sein eigenes Kabinett. Ansonsten kann man hier neben René Magritte und Henry van de Velde vielen starken Künstlern begegnen, die in Deutschland weniger bekannt sind, wie dem fauvistischen Maler und Bildhauer Rik Wouters und den flämischen Expressionisten Gustave de Smet und Constant Permeke.
Auch die Präsentation fordert heraus. Direktorin Carmen Willems hat die klassische Hängung nach Chronologie und Schulen verabschiedet. Stattdessen gibt es Themensäle zu Leitbegriffen wie „Leiden“, „Helden“, „Überfluss“ oder „Der Salon“. Wer ein bestimmtes Bild sucht, hat es nicht leicht. So hängt das berühmte Marienbildnis des französischen Hofmalers Jean Fouquet in einem Seitenkabinett.
Allerdings spielen die Kuratoren auch mit Korrespondenzen über Stil- und Epochengrenzen hinweg. So wird Rogier van der Weydens Sakraments-Triptychon mit einer „Schmerzensmann“-Skulptur von Berlinde de Bruyckere konfrontiert. Hans Memlings Triptychon des segnenden Christus mit musizierenden und singenden Engeln wird flankiert von Nachbauten der gemalten Instrumente. Und auf solchen Nachbauten musizierte Kompositionen erklingen im Raum, man hört gleichsam das Gemälde. Zuweilen saß den Kuratoren der Schalk im Nacken: Ein Gemälde hängt schief, die Genreszene einer Kneipenschlägerei von Adriaen van Ostade.
Humorvoll ist auch ein Projekt zwischen Gegenwartskunst und Museumspädagogik von Christophe Coppens, Bühnenbildner der Antwerpener Oper De Munt. In zehn Räumen nahm er ein Detail aus einem Gemälde und baute es als Skulptur nach. Da hängt bedrohlich eine klauenhafte Hand über den Besuchern und dreht sich sogar ab und zu. Direkt darunter hängt ein Gemälde des Heiligen Hieronymus von Marinus van Reymerswale, dem Coppens sein Motiv entnahm. Nicht nur Kinder lernen hier, auf die Details in Kunst zu achten. Im modernen Bereich liegt ein nackter Hintern auf dem Boden, den man ein Stück weiter in einem Rückenakt von Jan Sluijters wiedererkennt.
Museum voor Schone Kunsten Antwerpen, Leopold de Waelplaats 2, 2000 Antwerpen. Geöffnet mo bis fr 10 – 17, do bis 20, sa, so 10 – 18 Uhr, Tel. 0032/ 3/ 224 7300,
www.kmska.be