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Das Josef Albers Museum Bottrop präsentiert die „Huldigung an das Quadrat“

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Von: Ralf Stiftel

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Sonderausstellung "Josef Albers. Huldigung an das Quadrat“ im Museum Quadrat
Ein Gemälde der Serie „Homage To The Square“ von Josef Albers in der Bottroper Ausstellung. © Roland Weihrauch/dpa

Bottrop – Viel einfacher kann ein Gemälde nicht aufgebaut sein. Vier Quadrate hat Josef Albers übereinandergelegt in seiner „Homage to the Square“ von 1950, die den Beititel „Tempered Ardor“ trägt. Aber bei diesem Maler kommt es auf jedes Detail an. Die immer kleineren Quadrate teilen nicht den Mittelpunkt, sondern sind nach unten verlagert. Dies ist keine bloße technische Handübung. Albers hat einen schmalen weißen Rand gelassen, damit der Betrachter merkt, dass hier etwas auf die Fläche kam. Die „Homage“ ist kein farbig gefasstes Bildobjekt. Sie soll als Malerei erkennbar sein. Ölfarbe auf Masonit (eine Holzfaserplatte).

Vor allem aber sehen wir einen Farbakkord, der durch Kontrast und Reibung spürbar wird. Das kleinste, blaue Quadrat überstrahlt sogar den roten äußeren Rahmen. Oder das zuunterst liegende Quadrat, je nachdem, wie man das Bild liest. Die anderen Farben sind in ihrer Tonalität verwandt, rot, braun, schwarz ist eine lineare Verdunkelung, erwartbar, aber auch mit verblüffenden Effekten. Denn der Bereich des Rot unmittelbar am Braun erscheint heller, als ob es einen Lichthof gäbe. Ein Wahrnehmungsphänomen, Albers hat die Farbe überall gleich aufgetragen. Das Sehen wird zur Herausforderung. Konzentriert man sich auf die Farben, die in den großen Quadraten gedämpft, im kleinen zentralen aber intensiviert erscheinen? Blickt man auf den perspektivischen Effekt, der mal einen Tunnel, mal einen in den Raum ragenden Stapel vorgaukelt?

So erweist sich schon ein einzelnes Bild der monumentalen Serie „Homage to the Square“ als komplex. Die Ausstellung „Josef Albers. Huldigung an das Quadrat“ im Josef Albers Museum Bottrop umfasst rund 120 Gemälde, 120 Variationen des einen Grundmotivs, manchmal nur mit drei Quadraten, in immer neuen Farbkombinationen. Kurator Heinz Liesbrock wählte nach Qualität aus unter rund 2200 Gemälden, die der Künstler von 1950 bis kurz vor seinem Tod schuf. Er will mit Meisterwerken belegen, dass Albers (1888–1976) zu den großen Malern des 20. Jahrhunderts gehört. Damit soll eine immer noch verbreitete Einschätzung korrigiert werden, die seine Leistungen als bedeutender Kunstlehrer über die des produktiven Künstlers stellt. Zugleich möchte Liesbrock eine bislang unbearbeitete Frage beantworten: Wie kam Albers dazu, im Alter von 62 Jahren ein solch ausschweifendes Projekt anzufassen, 25 Jahre lang fand er kein Ende und hätte wohl noch tausende weiterer „Homages“ malen können.

Blick in den Neubau des Josef-Albers-Museums Bottrop, Ausstellung Huldigung an das Quadrat
Variationen von Rot: Im Neubau des Museums hängen die Werke von Josef Albers. © © Laurenz Berges / VG Bild-Kunst

Mit der Ausstellung wird der Erweiterungsbau des Museums eröffnet. Beides zusammen ist die Krönung von Heinz Liesbrocks Arbeit in Bottrop. Von 2003 bis zum Monatsanfang leitete er als Direktor das Museum. Den großartigen neuen Baukörper, geplant von der Schweizer Architektin Annette Gigon, hat er angestoßen (und die Fördermittel eingeworben), damit seine Nachfolgerin Linda Walther die Bilder Albers‘ nicht für Wechselausstellungen ins Depot schaffen muss. Das Museum verfügt über die umfangreichste und qualitätvollste Sammlung des Künstlers. Den Grundstock bildete eine Schenkung der Witwe Anni Albers im Jahr 1980, die mit der Bedingung verbunden war, dass die Bilder dauerhaft gezeigt werden. Diese ständige Werkschau ist jetzt im Josef Albers Museum zu sehen. Und die Josef-Albers-Galerie bietet Raum für ein ambitioniertes Ausstellungsprogramm. Nun mit noch mehr Quadraten. Das ist keineswegs ein Fest der Redundanz.

Albers hat gesagt, er wisse nicht, wie er auf die Form des Quadrats gekommen sei. Er berief sich auf einen „vielversprechenden Zufall“. Als Ouvertüre sieht man noch im Altbau Vorarbeiten zum Quadrat, zeichnerische Konstruktionen, die geometrische Grundformen, oft schon Quadrate, zu sich überlagernden Strukturen vereinen. In diesen Arbeiten gibt es noch eine Art Räumlichkeit. Eine weitere Quelle ist die Beschäftigung mit der indigenen Kunst Mexikos, die Anni und Josef Albers auf Reisen kennenlernten. Man sieht in den „Variants“ oder „Adobes“, einer weiteren Serie, eine Kombination von Flächen, die als stark abstrahierte Architektur lesbar sind. Hier experimentierte Albers schon mit Farbkombinationen.

Im ersten Raum sieht man die „Homage to the Square ,A‘“ (1950), das erste Bild der Serie, noch in Schwarz, Weiß, Grau. Am Anfang ging es vielleicht um ein Formproblem, darum, dass der Künstler über den Bildaufbau nicht mehr nachdenken muss. Schnell aber kommen die Farben ins Spiel. Albers plante seine „Homages“ präzise. Die Ausführung ging dann relativ schnell, in seinem Malkeller, mit Industriefarben aus der Tube, die er mit dem Malmesser auf die grundierte Platte auftrug. Albers arbeitete auch als guter Handwerker, der von seinem Vater, einem Malermeister, grundlegende Techniken übernommen hatte. In den ersten Sälen erlebt man den Ausbruch an Kreativität, Albers‘ Spiel mit Kontrasten, mit Buntheit. In einem vordergründig paradoxen Zitat hält er fest: „Ich ,huldige nicht einem Quadrat‘. Das Quadrat ist nur das Tablett, auf dem ich meine Verzückung durch die Farbe ausbreite.“

Genau das kann man in Bottrop nachvollziehen. Wie er ungewöhnliche Kombinationen von Orange und Rosa zum Leuchten bringt, die in der europäischen Tradition gewagten Kombinationen sind auch ein Reflex auf die mexikanische Volkskunst. Ein Saal erstrahlt in Rot, ab 1968 erkundete Albers die Möglichkeiten monochromer Malerei mit dieser Farbe, und die glühenden Bilder zeigen, wie emotional Quadrate sein können. In einem Saal sieht man Paul Cézannes Gemälde „Steinbruch von Bibémus“ (ca. 1895), das Albers schon 1906 im Museum Folkwang sah, damals noch in Hagen. Eine prägende Erfahrung, wie man an einigen Quadrat-Bildern daneben erkennt, die die organischen Braun- und Grün-Töne des Franzosen aufgreifen. Solche Konfrontationen sind wahrhaft augenöffnend. Und das wollte ja der Lehrer Albers vor allem: Das richtige, bewusste Sehen vermitteln. Es gibt einen herrlichen Saal mit gelben Quadraten, in denen man staunen kann, wie licht und trocken diese Farbe in Kombination zum Beispiel mit Grau auftritt. In Bottrop erkennt man, was die Farbe allein kann, wenn man sie allein auftreten lässt.

19.–21.10. freier Eintritt zur Eröffnung, bis 26.2.2023, di – sa 11 – 17, so 10 – 17 Uhr, Tel. 02041 / 372 030,

https://quadrat.bottrop.de

Katalog, Verlag Hatje Cantz, Berlin, 48 Euro

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