Tonnenschwere Tore: 200 Jahre alte Schleuse Uentrop braucht Verjüngung

Vor 2000 Jahren hätten die Römer sie sicherlich gern gehabt. Lippeschiffer brauchten sie vor rund 200 Jahren zwischen Hamm und Lippstadt. Heute fristet die Schleuse Uentrop nur noch ein Randdasein. Sie ist aber unverzichtbar.
Uentrop – Der Lippeverband hat damit begonnen, die Schleuse Uentrop instandzusetzen. Die eichenen Holztore müssen ausgetauscht werden. Holz? Ja, denn hier geht es um eine alte Anlage, um ein zu „schützendes Kulturgut der Stadt Hamm“, wie es allerdings nicht ganz ortsgenau heißt. Die Anlage nahe Haus Uentrop liegt an einem künstlichen Nebenarm der Lippe, haarscharf an beziehungsweise mit seinen Schleusengebäuden schon jenseits der Ortsgrenze auf Lippetaler Gebiet.
Rund 24 Jahre ist es her, dass die hölzernen, sogenannten Stemmtore erneuert wurden. „Stemmen“, weil die Tore per Muskelkraft bewegt werden. Sie befinden sich am westlichen Ende der Schleuse, am Unterhaupt. Die hölzerne Konstruktion ist frei bewittert, das heißt, der untere Teil des Stemmtores steht dauerhaft im Wasser. Bis zu einem Meter. Dennoch, das 1998 eingesetzte Holz sollte eigentlich länger halten. Davor war es 1959 ausgetauscht worden.
„Wir haben schon vor Jahren gesehen, dass es an mehreren Stellen defekt ist“, sagt Lippeverband-Sprecherin Anne-Kathrin Lappe über das Ergebnis eines Gutachters. Ein Materialdefizit, Mängel in der Holzstruktur sind mögliche Gründe. Zunächst reichten noch Reparaturen. Letztlich war klar, „dass die Tore mittelfristig ausgetauscht werden müssen“.

Etwa drei Tonnen schwer ist eines der drei Meter breiten und rund 5,3 Meter hohen Tore. Nur per Kran ließen sich die Holzkonstruktionen ausbauen. Sie werden komplett ausgetauscht. Die Neuen entstehen in der Zimmerei Mölle. Den Betrieb in Süddinker gab es schon zur Bauzeit der Schleuse. „Die Tore werden auf Grundlage der alten Pläne nachgebaut“, sagt Lappe.
Die Kosten für die Erneuerung stehen noch nicht fest. Von einem „niedrigen sechsstelligen Betrag“ sei auszugehen. Die neuen Tore sollen in etwa vier bis sechs Wochen eingebaut werden. Das hängt von den Liefermöglichkeiten ab. „Wir brauchen ein besonderes Holz“, sagt Lappe über ein dichte und regelmäßige Struktur der Eiche.

Daraus wird auch ein Plattenschütz gefertigt. Es befindet sich im unteren Bereich eines Torflügels. Vom Bediensteg an der Schleuse kann die hölzerne Platte per handbetriebener Kurbel über eine Zahnstange angehoben und gesenkt werden. Durch eine etwa 80 mal 95 Zentimeter große Öffnung wird das Wasser aus der Schleuse abgelassen.
Die Tore lassen sich dann über die „Bedienhebel“ öffnen – eine geradezu bescheidende Bezeichnung für die massigen, sieben Meter langen Holzbalken. Sie sind an der Oberseite eines jeden Torflügels befestigt. Alles Handbetrieb eben.
Schleuse Uentrop: Öffnen und schließen per Muskelkraft
Die erforderliche Muskelkraft wirkt unzeitgemäß. Es geht auch anders, wie sich 40 Meter flussaufwärts an der Schleuse zeigt. Der wegen seiner Form Fischbauchklappe genannte Verschluss am Oberhaupt lässt sich elektrisch regulieren. Doch um Modernisierung geht es dem Lippeverband hier nicht. „Wir erhalten die Holzkonstruktion aus denkmalpflegerischer Überlegung“, sagt die Lippeverbandssprecherin. In Hamm gebe es mit der Schleuse Heessen nur noch zwei von den fast 200 Jahre alten Anlagen.
Ein weiterer Grund, der für die Holzteile spricht, ist die Bauweise der Anlage. Die Schleuse hat eine massive Kammer aus Ziegelschwergewichtsmauerwerk. Das ist noch zur Jahrtausendwende instandgesetzt worden. Bauliche Veränderungen, etwa durch den Einbau von Stahlelementen, würden die Statik verändern und könnten aufwendige Verstärkungen erforderlich machen.
Schleuse Uentrop: Für Lippeverband unverzichtbar
So bleibt es beim Handbetrieb. Die Schleuse dient ohnehin nur den Mitarbeitern des Lippeverbandes. „Durchschnittlich wird sie etwa 30 Mal im Jahr genutzt“, sagt Lappe. Dabei geht es etwa um Arbeiten, die im Bereich der Lippe vom Wasser aus erledigt werden müssen, wie Gehölzschnitt. Die Mitarbeiter sind zu Kontrollfahrten unterwegs, beheben unerwünschte Ausspülungen oder sind zu Probenentnahmen unterwegs in den Auen.
Die Lippefähre Lupia passierte aus dem und zum Winterquartier zwei Mal im Jahr die Schleuse an der Zollstraße – in diesem Jahr wegen der Arbeiten etwas früher. Gerade erst nahm sie am Schloss Oberwerries/Lippeauenweg wieder den Betrieb auf.
Schleuse Uentrop: Wichtig auch fürs Wasserkraftwerk
Verzichtbar ist die Schleuse nicht, auch wenn im Zuge von Renaturierungen und der Wiederherstellung der Durchlässigkeit von Flüssen eine Außerbetriebnahme naheliegt. Das könnte zu unerwünschten Strömungsänderungen der Lippe führen mit negativen Folgen für die Lippeauen oder auch etwa für das RWE-Wasserkraftwerk östlich der Zollstraße. Dort befindet sich ein Wehr. Bei Wartungsarbeiten übernimmt die Schleuse Uentrop für kurze Zeit die Aufgabe.
Schleuse Uentrop: Ein Stück Geschichte
Schon im 17. Jahrhundert gab es Überlegungen für einen Ausbau der Lippe, denn die Straßen taugten kaum für größere Warentransporte. Die Schleuse Uentrop gehört zu einer Reihe von 19 Bauwerken, die in der Zeit von 1823 bis 1828 zur Verbesserung der Lippe-Schifffahrt zwischen Wesel und Lippstadt entstanden.
Die um 1825 erbaute Anlage befindet sich auf Stromkilometer 43 und besteht aus einer damals typischen, massiven Schleusenkammer aus Ziegelschwergewichtsmauerwerk. Sie war für Schiffe bis 26,5 Meter Länge und etwa 4,6 Meter Breite ausgelegt. Das im preußischen Einheitsstil erbaute Schleusenwärterhaus entstand daneben. Es gehört heute zum Betrieb des Lippeverbandes.
Schleuse Uentrop: Höhepunkt 1850
Ende 1827 war die Lippe bis Lippstadt durchgängig schiffbar. Stromabwärts wurde hauptsächlich Salz, stromaufwärts Kohle befördert, heißt es in der Beschreibung zur Unterschutzstellung der Nachbar-Schleuse in Lippetal. Der Frachtverkehr erreichte bis 1850 den Höhepunkt, ehe er sich mehr und mehr auf die Schiene verlagerte. Trotz Einsatzes von Schleppdampfern ging der Güterverkehr auf der Lippe zurück. 1876 wurde der Schiffverkehr zwischen Hamm und Lippstadt eingestellt.
Rund 40 Jahre danach brach mit dem Datteln-Hamm-Kanal eine neue Zeit der Frachtschifffahrt in Hamm an. Seit 1933 führt die künstliche Wasserstraße bis nach Schmehausen. Vom nie ausgeführten, aber geplanten Weiterbau bis Lippstadt zeugen heute noch einige Brückenbauwerke in der freien Landschaft. Sie sind genauso wie die Schleusen Uentrop und Heessen stumme Zeugen der Verkehrs- und Wirtschaftsgeschichte in (bei) Hamm.
Schleuse Uentrop: Zu schützendes Kulturgut
Das LWL-Denkmalamt nahm die Schleusen Ende der 1970er Jahre in die „Liste des schützenden Kulturgutes der Stadt Hamm“ auf. 1991 ging es in einer Bürgeranfrage um ein Prüfverfahren zur Denkmalwürdigkeit der Schleusen in Heessen und Uentrop. Dabei sei festgestellt worden, wie Stadtsprecher Lukas Huster sagt, dass sich die Schleuse Uentrop auf dem Stadtgebiet der Gemeinde Lippetal befinde.
Warum sie dort nicht in der Denkmal-Liste auftaucht, wie die Elisabeth-Schleuse in Kessler, konnte die Gemeinde in diesen Tagen noch nicht beantworten.