Anmeldezahlen brechen hart ein, alle schweigen: Was ist los am „Stein“?

Seit Monaten schwelt am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Hamm ein Konflikt. Nun sind auch die Anmeldezahlen heftig eingebrochen. Was ist los an der einstigen Vorzeigeschule?
Hamm – Ein niederschmetterndes Ab, ein erfreuendes Auf und eine Konstante: Für Vielfalt steht das dreigliedrige Schulsystem und stehen die Anmeldezahlen für das Schuljahr 2023/24 an den drei weiterführenden Schulen im Stadtbezirk Uentrop. Zu einer positiven Entwicklung lässt sich verständlicherweise leichter Stellung beziehen. Dagegen tut sich die Schulgemeinschaft in Werries mit dem Dämpfer für das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium schwer. Hier schwelt ein Konflikt.
Den stärksten Einbruch seit langer Zeit verbuchte das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium bei den Anmeldezahlen für das kommende Schuljahr 2023/2024. Angaben der Stadt Hamm zufolge werden nach den Sommerferien 76 Fünftklässler in Werries beginnen. Das sind 36 Anmeldungen weniger als im Vorjahr, oder in anderen Worten: ein Rückgang um ein Drittel. Das passt zu einer Dreizügigkeit. In jüngster Zeit waren allerdings vier Eingangsklassen die Regel, fünf bildeten nunmehr die Ausnahme.
Stein-Gymnasium: nur einmal unter 100 Anmeldungen
Bisher lag die Zahl der Anmeldungen über 100. Über lange Sicht sank sie nur für das Schuljahr 2018/19 mal unter die Marke, wenn auch ganz knapp. Auf einen leichten Rückgang hatten aber schon die Gutachter des im vergangenen Jahr ausgelaufenen Schulentwicklungsplan hingewiesen.
Die Zahl der Schüler, die tatsächlich die Eingangsklassen besuchen, liegt oft etwas höher, wie im vergangenen Jahr bei 115 anstatt 112 bei den Anmeldungen. Möglich, dass im Sommer auch am Stein noch mehr Schüler starten. Doch von einem Anstieg für das kommende Schuljahr auf normale Stärke ist nicht auszugehen.
Beisenkamp bleibt Spitzenreiter
Das Beisenkamp Gymnasium bleibt beliebt. 108 Kinder wurden für das Gymnasium im Hammer Süden angemeldet, mehr als an jedem anderen der Stadt – wobei die Anmeldezahlen am Galilei und am Hammonense-Gymnasium lediglich um fünf beziehungsweise sechs Schüler niedriger lag.
Stein-Gymnasium: Schulleiterin Rehmann nicht erreichbar
Um eine Stellungnahme zu den Anmeldezahlen gebeten, sagt der stellvertretende Schulleiter Thomas Leckelt nichts über die möglichen Gründe. Er verweist stattdessen auf die für Personalangelegenheiten zuständige Bezirksregierung Arnsberg, die „sicherlich“ der „richtige Ansprechpartner“ sei. Die Schulleiterin Ellen Rehmann ist nicht zu erreichen. Sie ist seit dem Ende der Herbstferien, Mitte Oktober, nicht an der Schule. Sie sei krank, heißt es. Das erschwert die Ursachenfindung.
Zu den Anmeldezahlen kann die Bezirksregierung nichts sagen. Mit Verweis auf personal- und datenschutzrechtliche Gründe äußert sie sich auch nur knapp. „Die Schulleiterin ist gegenwärtig nicht im Dienst“, erklärt Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung. „Die Schule wird durch ihren Vertreter geleitet.“
Stein-Gymnasium: ein Konflikt und viele Spekulationen
Gründe für den jüngsten Rückgang zeichnen sich laut Stimmen aus der Schulgemeinschaft seit Monaten ab. Doch wenn es darum geht, in der Öffentlichkeit darüber zu reden, konkret zu werden, dominiert Zurückhaltung. So schwelt ein Konflikt, der namentlich mit der Schulleiterin in Verbindung gebracht wird. Die daraus resultierende Atmosphäre an der Schule sei für den Einbruch der Anmeldezahlen verantwortlich, heißt es. Das ist allerdings Spekulation. Im Gegensatz dazu ist Tatsache, dass es im Hintergrund schon länger rumort. Die Schulpflegschaft wandte sich im Dezember mit einem Beschwerdeschreiben an die Bezirksregierung. Das wollte sie diskret behandeln.
Schulpflegschaftsvorsitzende Kerstin Kreienfeld bestätigt auf Nachfrage ein Schreiben mit Bezug auf Rehmann und ihre Art der Schulleitung. „Grund dafür ist die Unzufriedenheit der Elternschaft“, sagt sie. Details und konkrete Kritikpunkte „möchte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen“. Vielmehr solle zunächst das Gespräch mit der Bezirksregierung gesucht werden. Das Schreiben war kein spontaner Schritt. Die Entscheidung sei „gewachsen“, erklärt sie, „und ist mit der Schulpflegschaft abgestimmt“.
Kommentar: Zeit für eine Entscheidung
Was ist los am Stein? Wenig Konkretes und viel „Dorffunk“ werfen ein trübes Licht auf das Gymnasium. Das nagt am Image der einstigen Vorzeigeschule. Seit Monaten. Das spricht sich rum. Schon möglich, dass der historische Einbruch der Anmeldezahlen für die Eingangsklassen eine erste Quittung ist. Eigentlich will sich keiner öffentlich äußern.
Die Schulleiterin ist seit den Herbstferien erkrankt. Das ist Privatsache, und noch kein Grund zu berichten. Bezeichnend ist aber, dass sich ihr Stellvertreter nicht zu den Anmeldezahlen äußert, sondern direkt auf die Bezirksregierung verweist und damit auf ein Personalproblem.
Nur die Elternschaft erklärt sich, wenn auch ungern. Denn sie wollte das Problem diskret und erst einmal intern angehen. Nachvollziehbar, es muss ja nicht gleich an die große Glocke. Ellen Rehmann muss die Möglichkeit haben, zu Vorwürfen Stellung zu nehmen. Kann sie krankheitsbedingt aber eher nicht.
Die Eltern warten auf Gespräche. Zu lange. Die Nachricht vom Beschwerdeschreiben an die Bezirksregierung ist durchgesickert. Die Vorwürfe behalten sie aber weiterhin für sich.
Die Situation ist zum Dauerzustand verkommen, lähmt das Stein und zeigt Folgen. Daher ist es Zeit, um zu handeln, Probleme offenzulegen, konstruktiv anzugehen und eine Entscheidung zu treffen.
Worum es geht: allen voran um die rund 900 Schüler und ihre Zukunft.
Torsten Haarmann