Es gehe darum, Angebote für die nächsten ein, zwei Jahre zu entwickeln. Dabei spiele auch der Zeitraum eine Rolle, in der ein Projekt gestartet werden soll. Ein klassischer Baubeginn im Frühjahr schlage in der Regel höher zu Buche als zu einer anderen Zeit. Oft ließen sich Projekte – und damit auch Materialprobleme – zeitlich entzerren. Eine generelle Aussage lasse sich nicht treffen, so der Architekt, weil jedes Projekt sehr individuell sei. Aber aus seiner Expertensicht heraus vermutet er für die Zukunft: „Wer in drei oder vier Jahren bauen will, muss mit etwa zehn Prozent höheren Preisen rechnen.“ Denn die bisherige einprozentige jährliche Steigerungsrate liege derzeit eher bei zwei bis drei Prozent im Jahr.
Trotz Bau-Boom haben die Bauunternehmen Sorgen: Laut Hauptverband der Bauindustrie lag etwa der Preis für Bitumen im Dezember 2020 um 56 Prozent über dem des Jahresbeginns 2016 und der für Betonstahl um 37 Prozent. Hinzu kommen höhere Preise bei den Rohstoffen, beispielsweise durch Lieferengpässe bei Kies und Sand, höhere Transportkosten, unter anderem durch den Anstieg der Dieselpreise. Seit Januar 2021 ziehen die Preise für Baumaterial deutlich an. Allein der Betonstahl verteuerte sich innerhalb eines Monats um 10,2 Prozent, der Preis für Mineralölerzeugnisse legte um 10,1 Prozent zu und Dämmstoffe für Fassaden kosten gut 25 Prozent mehr als noch im Dezember.
„Früher oder später müssen in die Verträge wieder Materialgleitklauseln eingefügt werden“, meint Diplom-Ingenieur Marek Szczepaniak von der MS Bau GmbH. In vielen aktuellen Verträgen wurde diese Klausel, ebenso wie die für steigende Personalkosten, gestrichen. Aber nach Meinung des Bauunternehmers wird es zunehmend schwieriger, Bauvorhaben ohne solche Klauseln zu kalkulieren, mit denen Preisänderungen auch an die Kunden weitergegeben werden können. Bei bestehenden Verträgen gehen die steigenden Materialkosten zulasten der Unternehmen. „Da werden viele in Schwierigkeiten kommen. Ich bin seit 25 Jahren in der Branche, aber so eine Kostensteigerung beim Material habe ich noch nie erlebt“, sagt Szczepaniak.
Erste Anzeichen für die Preisentwicklung habe er vor etwa anderthalb Monaten wahrgenommen und versucht bei der Materialbeschaffung zu reagieren. Der Unternehmer, der neben dem anstehenden Rohbau der Galerie Mensing in Rhynern auch acht bis zehn Wohnbauprojekte pro Jahr in Hamm durchführt, sieht aber das größte Problem darin, für die laufenden Maßnahmen das Material zu beschaffen. Denn neben der Preissteigerung belastet vor allem die mangelnde Verfügbarkeit die Unternehmen.
Szczepaniak ist froh, dass er bei seiner Firma am Herbert-Rust-Weg eine weitere Fläche von der Wirtschaftsförderung erwerben konnte. Denn er bemüht sich, Material – etwa Dämmstoffe – frühzeitig zu erwerben und dort zu lagern. Allerdings macht der Unternehmer auch deutlich, dass eine solche Zwischenlagerung teurer ist, als es wäre, das Material direkt zu den Baustellen zu bringen – es entstehen in der Bauphase zusätzliche Transportkosten. Bei bestehenden Verträgen, das bestätigen alle befragten Experten, gehen die gestiegenen Materialkosten zulasten der Unternehmen. Szczepaniak: „Die jetzt laufenden Projekte wurden ja zu den Konditionen des letzten Jahres abgeschlossen.“
Da sei mit der Preisexplosion nicht zu rechnen gewesen – die betreffe besonders Materialen wie Holz, Glaswolle und Kunststoffe, etwa für Rohre im Sanitärbereich. Das erschwere den Unternehmen die Kalkulation bei gleichzeitigem Konkurrenzdruck, etwa bei Ausschreibungen. Auch feste Terminzusagen seien derzeit sehr riskant, weil die Materialsituation unsicher sei. Und nach Einschätzungen seiner Lieferanten könne die Situation bis Jahresende schwierig bleiben. Szczepaniak: „Es ist wie in eine Glaskugel zu schauen.“ Bei jetzt erst anlaufenden oder geplanten Projekten werden die Unternehmen auf die Kostensteigerung reagieren.
So hat die beta Eigenheim für das Baugebiet Lippestraße/Friedrichsfeld zum 1. April eine Preisanpassung vorgenommen. Achim Krähling, einer der geschäftsführenden Gesellschafter des Unternehmens, vermutet mit Blick auf Material- und Baupreise: „Mittelfristig werden die steigenden Preise die Nachfrage beruhigen.“ Das gelte gerade im Bereich Stahl. Er findet es nicht einfach, aus der Hammer Sicht heraus die Ursachen zu beleuchten, fürchtet aber, dass die inflationäre Entwicklung auf dem EU-Markt auch europäische Verhältnisse in nächster Zeit prägen könnte.
„Über eine lange Zeit gab es in der Baubranche nur eine moderate Preissteigerung. Jetzt merkt man, dass sich ein gewisser Preisdruck aufbaut,“ so Krähling. China handele als autoritäres Regime auf dem Rohstoffmarkt aggressiv, das wirke stärker als der Einfluss der Corona-Pandemie.
Die mache sich allerdings durch eine Schwächung der globalen Lieferketten, gerade durch die Probleme der Containerschifffahrt, bemerkbar. Dafür sei aber nicht die Havarie im Suez-Kanal ursächlich, sondern mangelnde Transportkapazitäten.
Die Preissteigerungen am Bau sind auch für die Kunden der Sparkasse Hamm spürbar. So berichten zum Beispiel Kunden, die Grundstücke im Neubaugebiet des Heessener Westkamps erworben haben, von Baupreissteigerungen zwischen 7 und 11 Prozent im Vergleich zu den Ursprungsplanungen.