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Ratten hinter dem Sofa: Unhaltbare Zustände in Hammer Wohnung

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Von: Frank Osiewacz

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Ratten bereiten Städten Probleme
Eine Ratte: Wenn sie draußen unterwegs ist, bereitet sie vielen Menschen schon Kopfzerbrechen. Aber in der Wohnung...? © Bernd von Jutrczenka / dpa

Ratten in der Wohnung - über Monate. Für viele eine Horrorvorstellung. Dieser Fall aus dem Hammer Westen ist besonders tragisch. Die Bewohnerin ist psychisch krank.

Hamm – In einer Dachgeschosswohnung in der Beukenbergstraße im Hammer Westen hat eine 54-jährige Mieterin vermutlich monatelang mit Rattenbefall in ihrer Wohnung gelebt. Die Schwester der psychisch kranken Frau bemerkte das Ungeziefer bei einem Übernachtungsbesuch. Sie fürchtet, dass sich die Tiere im Wohnumfeld ausgebreitet haben könnten und sich niemand zuständig fühlt.

Lange hatte die Schwester nicht zuletzt aus Scham gezögert, mit dem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen. Das Gefühl der Hilflosigkeit im Hin- und Hergeschiebe von Verantwortung habe ihr dann aber keine Ruhe gelassen, sagt sie. Sie wünsche sich, dass hier endlich etwas geschehe. Inzwischen lebt die Bewohnerin nicht mehr in der Beukenbergstraße, sondern in einem Pflegeheim. Die Frau, die unter einer psychischen Erkrankung leidet, kann ihre Angelegenheiten nur ganz eingeschränkt selbst wahrnehmen. Sie hat seit Jahren einen gesetzlichen Betreuer. Sehr wahrscheinlich habe die 54-Jährige gar nicht mitbekommen, wie sich das Ungeziefer im Küchenschrank oder hinter dem Sofa tummelte, meint die Schwester. Das war ihr dann selbst bei einem Besuch im Winter vorbehalten.

Ratten in Hammer Wohnung: Nachbarin fand offenbar totes Tier im Bad

Ein Kammerjäger, der auf Rechnung der Mieterin bestellt wurde, stellte anhand von Rattenkot und Nage-Spuren unschwer den ungebetenen Besuch fest und beköderte die Tiere. Er bestätigt das gegenüber WA.de. Ein Kadaver sei in der Folge in der Wohnung nicht gefunden worden, so die Schwester. Ein Nachbar, der seit Jahren die gegenüberliegende Dachwohnung bewohnt, gibt aber gegenüber unserer Redaktion an, dass Ratten über das Dach durch sein offenes Küchenfenster eingedrungen seien. Bei seiner ehemaligen Nachbarin habe er vorher schon ein totes Tier im Bad gefunden und entsorgt.

Unhaltbare Zustände, aber was tun? In der Befürchtung, Ratten könnten sich in den durchlaufenden Mehrfamilienhäusern an der Beukenbergstraße zu einer Plage entwickeln, habe sie sich ans Ordnungsamt gewandt, so die Schwester. „Hier hat man mir erklärt, die Mieter müssten sich schriftlich melden“, sagt sie. „Aber wie soll das funktionieren? Manche sprechen gar kein oder nur wenig Deutsch. Das ist für sie nicht zu schaffen.“ Die Frau fühlt sich ohnmächtig in einer für sie undurchsichtigen Gemengelage. Der Betreuer will in der Angelegenheit nicht mit unserer Redaktion sprechen.

Ratten in Hammer Wohnung: Verwalter will die tierischen Besucher nicht bemerkt haben

Auf Nachfrage der Redaktion wird das Ordnungsamt tätig und sucht Kontakt zum Verwalter, Grand City Property Ltd in Berlin. Adressat für das Ordnungsamt in derartigen Fällen ist immer der Eigentümer beziehungsweise Verwalter einer Immobilie, nicht der einzelne Mieter. Es findet ein Ortstermin statt. Ergebnis laut Grand-City-Pressestelle eine knappe Woche später: „Nach erfolgter Überprüfung hat unsere zuständige Kollegin (...) der Stadt mitgeteilt, dass keinerlei Anzeichen auf einen Schadnagerbefall in den Außen- und Allgemeinflächen festgestellt wurden.“ Ferner habe man keine Kenntnis von anderen Mieter:innen über einen Schadnagerbefall – weder in der Hausnummer 13 noch in den anderen von Grand City (...) verwalteten Wohnhäusern. Alles also halb so schlimm?

Die Stadt gibt sich damit nicht zufrieden: „Wir haben dem Eigentümer eine Frist gesetzt, zu der uns Nachweise über die Beauftragung und dann die entsprechenden Maßnahmen eines Schädlingsbekämpfers eingereicht werden müssen“, sagt Pressesprecher Lukas Huster. Diese Frist sei noch nicht abgelaufen. Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes hätten Rattenkot im Haus festgestellt. Ein weiterer Ortstermin sei vorgesehen. Klar ist laut Huster: „Sollte sich der Eigentümer einer Beauftragung eines Schädlingsbekämpfers verweigern, können wir dies auf seine Kosten tun.“

Ratten in Hammer Wohnung: Vermieter verweist auf fehlendes Zutrittsrecht

Hätte das nicht viel eher durch den Vermieter veranlasst werden müssen? Grand City bestätigt gegenüberWA.de, schon im Dezember 2021 die Mitteilung erhalten zu haben, dass in der betreffenden Wohnung ein Schadnagerbefall vorliegen solle. Allerdings sei eine Begehung nicht möglich gewesen, weil sämtliche Versuche der Kontaktaufnahme mit der Mieterin gescheitert seien. Auch nach Beendigung des Mietverhältnisses durch die Mieterin im März sei dies nicht möglich gewesen. Ohne formale Übergabe habe der Vermieter kein Zutrittsrecht. „Entsprechende rechtliche Schritte sind eingeleitet worden. (...) Wir werden eine Prüfung innerhalb der Wohnung vornehmen, sobald uns der Zutritt gestattet ist“, heißt es von Grand City.

Inzwischen ist über ein halbes Jahr vergangen, seit ein Nagerbefall gemeldet wurde. Geschehen sei wohl wenig seitdem, meint die Schwester der ehemaligen Mieterin. Das Gefühl der Ohnmacht ist ihr geblieben.

Beukenbergstraße

Die Beukenbergstraße 13 gehört zu einem Paket von 330 Wohnungen im Hammer Westen und Süden, die die Berliner RGG Rohrdamm Grundstücks GmbH 2011 aus einer Insolvenzmasse für sechs Millionen Euro erworben hat. Verwaltet werden die Immobilien von Grand City Property Ltd, ebenfalls ansässig in Berlin. An den Hammer Wohnungen müsse einiges getan werden, hieß es damals von einem Sprecher des Zwangsverwalters. Zur Beukenbergstraße 13 teilte Grand City mit, das Wohnhaus sei „in einem sehr gepflegten Zustand“. Dies sei das Ergebnis kontinuierlicher Aufwertungsmaßnahmen.

Beschwerden über eine zunehmende Rattenpopulation nahmen im vergangenen Spätsommer in Hamm zu. Unter anderem in Heessen am Ennigerbach und in Hamm-Mitte an der Adenauerallee gab es unliebsame Sichtungen. Möglicherweise leben Hunderttausende der Nagetiere in Hamm.

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