Dass die beiden den Betrieb bereits jetzt aufgeben, war so nicht geplant. „Wir haben weiterhin Spaß und wollten eigentlich so lange weitermachen, wie es unsere Gesundheit zulässt“, sagt Brigitte Czech. Doch die Corona-Pandemie und der Dauer-Lockdown hätten ihre Pläne durchkreuzt.
„Im Frühjahr 2020 hatten wir geschlossen“, sagt ihr Mann. Anfang Juni, nach drei Monaten, habe man unter strengen Auflagen – die Gäste mussten eine Maske tragen, sich registrieren und Abstand halten – und bei verkürzten Öffnungszeiten wieder öffnen können. „Anfang November kam der zweite Lockdown. Und seitdem ist unser Restaurant geschlossen.“ Zwar könnten sie jetzt unter Auflagen wieder öffnen. Die Kraft für einen weiteren Neustart habe sie jedoch nicht mehr, gibt Brigitte Czech zu. „Zumal ja nicht ausgeschlossen werden kann, dass es im Herbst eine vierte Welle gibt und Restaurants dann erneut schließen müssen“, bat die leidenschaftliche Köchin um Verständnis für die Entscheidung, ab sofort das Rentnerdasein zu genießen.
1967 eröffneten Gertrud und Karl-Heinz Runte an der Dortmunder Straße 307 eine Gaststätte. Die bestand anfangs nur aus einem Raum – einem umgebauten Hühnerstall – und war eine klassische Dorfkneipe. Dazu gehörte auch ein Tante-Emma-Laden. Nach dem Tod von Gertrud Runte 1968 musste er aber geschlossen werden. Auch die Gaststätte wurde verpachtet. Mit seiner zweiten Frau Wilma übernahm Karl-Heinz Runte sie Mitte der 1970er-Jahre wieder.
Zwischenzeitlich war aus dem Tante-Emma-Laden ein kleiner Saal geworden. Und die Mühle sowie die Halle für Lkw wurden von Karl-Heinz-Runte, einem gelernten Müller, in einen großen Saal umbauen. Aus gesundheitlichen Gründen musste er die Gaststätte dann erneut verpachten.
1985 wurde sie von Brigitte Czech und ihrem Bruder übernommen. Der stieg 2013 aus, sodass sie sich mit Unterstützung ihres Mannes, ihrer Töchter und ihres Teams allein um das Wohl der Gäste gekümmert hat.
Schon vor 16 Jahren hatte sich das Ehepaar Czech, das seit 46 Jahren verheiratet ist, ein Haus an der Nordsee, etwa auf halbem Weg zwischen Wilhelmshaven und Bremerhaven gelegen, gekauft. Dort haben die beiden ihre Urlaube und während des zweiten Lockdowns viereinhalb Monate verbracht. Mitte Juli ziehen sie ganz dort hin. Alleine werden sie dort nicht sein, denn ihre vier Kinder und fünf Enkelkinder im Alter zwischen wenigen Wochen und 19 Jahren wollen sie regelmäßig besuchen. Und das mache es ihr ein wenig leichter, ihre alte Heimat zu verlassen, sagt Brigitte Czech.
Aber sie weiß: Bis es soweit ist, wird sie noch so manch eine Träne verdrücken – so wie es ihr bei dem einen oder anderen Anrufer schon passiert ist. „Meine Frau war das ,Kronenstübchen’“, sagt auch ihr Mann. Daher werde er zu der offiziellen Übergabe auch alleine anreisen.
Die vergangenen 54 Jahre, in denen Brigitte Czech mehr oder weniger stark in den teilweise auch verpachteten Betrieb eingebunden war, möchte sie nicht missen. Im Gegenteil: „Ich bereue nichts. Und ich würde es wieder so machen.“ Das Kochen und das Backen, das ihr ihre Mutter und Großmutter beigebracht hätten, sowie der Umgang mit ihren Gästen hätten ihr stets eine große Freude bereitet. „Wir hatten zu 99,9 Prozent tolle Gäste. Sie kamen vor allem aus Hamm und dem Kreis Unna.“ Viele seien über Jahrzehnte eng mit dem „Kronenstübchen“ verbunden gewesen.
Einzelne Familien hätten hier Taufen, Konfirmationen oder Kommunionen, Hochzeiten, Jubel-Hochzeiten und runde Geburtstage gefeiert. Auch viele Beerdigungskaffees hätten hier stattgefunden. „Und natürlich das Tagesgeschäft.“ Der reine Thekenbetrieb hingegen sei im Laufe der Jahrzehnte stark zurückgegangen. „Uns tut es sehr leid, dass wir uns nicht richtig von unseren Stammgästen verabschieden können“, sagt Brigitte Czech. Bei ihnen und bei allen anderen bedanke sie sich daher auf diesem Weg für die jahrzehntelange Treue und wünsche ihnen für die Zukunft alles Gute. „Und vor allem: Gesundheit.“
Brigitte und Manfred Czech würden sich freuen, wenn die bisherigen Gäste des „Kronenstübchens“ auch ihren Nachfolgern aus Kamen die Treue halten würden. Für das Areal habe es zwar mehrere Interessenten gegeben. „Uns war es aber wichtig, dass der Restaurant-Betrieb weitergeht und die Menschen hier feiern können. Vor allem aber wollten wir jemanden, der das hier alles zu schätzen weiß. Es ist mein Elternhaus“, so die Gastronomin.