Matthias Grabitz über die Folgen der Corona-Krise in Hamm
Hammer Händler: Beeindruckende Hilfe - aber Blicke in ein schwarzes Loch
Seit zwei Wochen ruht in Hamm nahezu der ganze Einzelhandel – abgesehen von den systemrelevanten Geschäften wie Supermärkte, Apotheken und Drogerien.
WA.de sprach mit Matthias Grabitz über diese nie zuvor dagewesene Situation. Er ist Inhaber von Mode Grabitz und Sprecher der Hammer Kaufmannschaft.
Herr Grabitz, wie ergeht es den Betrieben?
Der Umsatz ist von einem Tag auf den anderen auf Null gefallen. Die Kosten für Gehälter, Miete, Leasing, Versicherungen und Ware laufen weiter. Das hat einen zunächst in eine „Schockstarre“ versetzt. Für uns Mode-Einzelhändler fing gerade die Hauptsaison an, in der wir unsere Liquidität wieder aufbessern müssen, um die kommende neue Ware bezahlen zu können. Der Geldfluss ist gerade zu dieser Zeit wichtig. Es trifft ja nicht nur den Einzelhandel. Den Gastronomen und Hotels fehlen die Gäste, Festivitäten werden abgesagt. Es trifft alle Handelsbereiche, den Blumenhändler um die Ecke, die Friseurgeschäfte, die Bäckereien mit Café-Betrieb, sogar einzelne Arztpraxen spüren die rückläufige Frequenz. Alle öffentlichen Bereiche mit Kontakt zu anderen Menschen meidet der Kunde jetzt.
Nun ist der Rettungsschirm aufgelegt. Wie beurteilen Sie den?
Die Politik hat sehr schnell – in der auch für sie komplett neuen Situation – ein gigantisches Maßnahmenpaket in die Wege geleitet. Das hat es so noch nie gegeben. Ob es ausreichend ist und die Nebenwirkungen vertretbar sind, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen. Das hängt von der Entwicklung der Situation in den nächsten Wochen ab.
Hat Ihr Unternehmen schon entsprechende Anträge gestellt?
Wir haben Kurzarbeitergeld und die Corona-Soforthilfe für Unternehmen beantragt.
Gerade zum Monatsende ist Liquidität gefragt. Mieten und Mitarbeiter müssen bezahlt werden. Haben Sie Informationen darüber, wann die ersten Summen fließen?
Die Liquidität ist für uns Unternehmen jetzt ohne Geldfluss das große Problem. Gehälter – auch wenn es Kurzarbeitergeld gibt –, Mieten und Rechnungen müssen bezahlt oder vorgestreckt werden. Wann die Erstattungen fließen, kann ich nicht sagen. Die KfW-Kredite werden voraussichtlich Mitte April zur Verfügung stehen. Auf der Unternehmensseite drängt die Zeit. Andererseits muss man aber auch für die andere Seite Verständnis aufbringen, denn die Banken, Sparkassen und die Ämter waren auf diese Situation auch nicht vorbereitet.
Sind die Anträge – wie versprochen – einfach auszufüllen?
Die Anträge sind wirklich einfach auszufüllen und es wurde extrem zeitnah eine Onlinelösung geschaffen. Dass diese Umsetzung so schnell möglich war, ist beeindruckend.
Können Sie eine Prognose abgeben: Wie lange halten Händler die komplette Schließung aus?
Da der Umsatz nicht nachgeholt werden kann und die Einnahmen zur Deckung der Kosten komplett fehlen, wage ich keine Prognose. Nicht sehr lange, das ist sicher.
Ihre Einschätzung: Reicht das Hilfspaket, das Bund und Land geschnürt haben aus?
Das Hilfspaket besteht aus zwei Komponenten. Erstens Kredite: Sie helfen, die Liquidität zu sichern. Es wird aber sehr schwierig sein, diese zurückzuzahlen – auch vor dem Hintergrund zusätzlicher Umsatzerwartungen. Die Kosten sind zu hoch. Zweitens die Soforthilfe: Diese hilft vielen kleinen Händlern unbürokratisch über die erste Zeit. Allerdings sind diese Pauschalsummen nicht für alle Kosten ausreichend und Unternehmen über 50 Mitarbeiter bekommen neben Krediten keine Unterstützung. Hier muss von politischer Seite nachjustiert werden.
Wie gehen die Mitarbeiter mit der Situation um?
Unsere Mitarbeiter haben sehr großes Verständnis für die Situation und unterstützen uns sehr. Sei es durch Zustimmung zur Kurzarbeit, als auch mit aufmunternden Worten. Es macht Freude in dieser Krisenzeit uns als Team zu erleben.
Die Textilbranche scheint besonders betroffen. Die neue Frühjahrsmode wurde geliefert und muss gezahlt werden. Kauft die Mode noch jemand, wenn die Geschäfte wieder öffnen dürfen?
Das hängt ganz davon ab, wann wir wieder öffnen dürfen. Auch die Mode unterliegt einem jahreszeitlichen Verfall. Jeder Tag zählt: wirtschaftlich, aber auch epidemiologisch. Mögen wir den richtigen Ausgleich finden.
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