Das Ende naht, so scheint’s. R. und seine Frau haben einen etwa ein Meter breiten begehbaren Kleiderschrank. Darin werden sie eingesperrt. Mit einem spitzen Teil von einem Kleiderbügel gelingt es ihnen, die Fesseln durchzuhacken. Immer wieder sticht die Ehefrau dabei auf die Klebefolie an den Handgelenken ihres Mannes ein. Endlich reißt das transparente Band.
Warten! Das Paar lauscht, ob sich draußen noch etwas bewegt. Nichts ist zu hören. Die Tür des Schranks geht nur nach innen auf. Alles Rütteln ist vergebens. Aus einen Kleiderbügel baut sich R. einen Dietrich und versucht, das Schloss zu knacken.
Die Tür öffnet sich – zum Entsetzen des eingesperrten Ehepaars. Einer der Täter steht vis-à-vis vor Peter R. „Was du machen?“, sagt der Mann mit der Maske. Wo Benzin ist, will er wissen. Und Chlor ebenfalls. „Ich zünde Haus an und du in Schrank.“
Peter R. hat weder Benzin noch Chlor im Haus. Dafür haben die Kidnapper aber noch mehr Klebeband. Wieder werden R. und seine Frau gefesselt, wieder in den Schrank gesperrt. Alles beginnt von vorn.
Immerhin wird kein Feuer gelegt. Als das Ehepaar sich ein zweites Mal von den Fesseln befreit hat, ist es bald 4 Uhr. Wieder warten beide und lauschen in die Stille. „Wir machen es jetzt anders“, sagt Peter R. schließlich zu seiner Frau.
„Toilette!“, rufen sie immer wieder und trommeln gegen die Tür. Sollte noch jemand im Haus sein, so wird derjenige vielleicht kommen, um sie zur Toilette zu lassen. Geschieht das nicht, hätte man ein wenig mehr Gewissheit. Niemand antwortet, niemand kommt.
Peter R. nimmt allen Mut zusammen. Im Schrank steht ein kleiner Koffer aus Metall. Er nimmt ihn und schlägt damit gegen das Türblatt. Holz splittert. Die Tür gibt nach.
Als er seien Kopf ins Freie streckt, steht diesmal niemand Fremdes mehr im Raum. R. eilt durch Schlafzimmer zum Fenster, öffnet dieses und klettert ins Freie. Er hetzt zu einem Nachbarn, klingelt an dessen Haustür Sturm. Als der Nachbar öffnet, geht alles ziemlich schnell. Die Polizei wird alarmiert und ist auch bald vor Ort. Die Täter sind wohl über alle Berge.
Zunächst treffen die Streifenpolizisten am Tatort ein. Sie stellen viele Fragen. Peter R. und seine Frau antworten, so gut es geht. Sie stehen beide neben sich, haben aber immerhin keine ernsthaften Verletzungen davongetragen.
Um 6 Uhr ist Schichtwechsel. Neue Beamte fahren zu dem Haus, das in der Nähe des Pilsholz’ liegt. Auch sie stellen Fragen – teils dieselben wie ihre Vorgänger. „Kann man so etwas nicht anders regeln?“, fragt sich Peter R. bis heute. Lob spricht er ausdrücklich den Kriminalermittlern aus.
Nicht nur die Wertgegenstände aus dem Haus wurden von den Tätern mitgenommen. Auch der VW Beetle der Ehefrau zählt zur Beute der vier Männer. Er wird einen Tag später am Mitfahrerparkplatz in Rhynern von Zeugen gefunden. Warum stiehlt man ein Auto und stellt es ein paar Kilometer weiter wieder ab? Stand in Rhynern das eigentliche (oder ein weiteres) Fluchtfahrzeug?
Die Polizei geht davon aus, dass die Bande einen Wagen im Bereich Forstlandwehr, Akazienallee oder Pappelallee abgestellt hatte. Passte die Beute nicht mehr komplett in diesen Wagen? Kamen zwei der Männer deshalb (in dem Moment, als sich das Paar das erste Mal aus dem Schrank zu befreien versuchte) noch einmal zum Haus zurück, um den VW Beetle zu holen? Warum wurde der weitaus wertvollere BMW von Peter R. nicht auch entwendet? Wussten die Täter, dass in diesem ein Ortungssystem verbaut ist?
Fragen über Fragen, die auch die Ermittler vom Kriminalkommissariat 2 beschäftigen. Fest steht, dass die Männer von „hinten“, über den Garten kamen. Lautlos und professionell brachen sie die Terrassentür auf und verschwanden auch wieder durch den Garten. Eine heiße Spur gibt es bis heute nicht.
„Warum wir, warum gerade bei uns?“ Seit mehr als zwei Wochen geistert diese Frage durch die Köpfe von Peter R. und seiner Frau. „Natürlich hatten die einen Tippgeber“, ist der Geschädigte überzeugt. „Aber wer ist das gewesen?“
Immer und immer wieder laufe das Erlebte in seinem Kopf ab. „Das ist bislang die Art und Weise, auf die ich das kompensiere. Wie in einem ganz schlechten Film.“ Seine Frau sei aber noch viel stärker von den Ereignissen gezeichnet. Sie sei auf psychotherapeutische Hilfe angewiesen.
Dass er nun eine Belohnung von 10.000 Euro ausgelobt habe (siehe Info weiter oben), geschehe nicht, um den materiellen Schaden auszugleichen. Peter R.: „Nein, darum geht es nicht. Ich will, dass sich so etwas nicht wiederholen kann. Solche Menschen dürfen nicht davonkommen.“