Wie junge Hammer Lebensmittel retten wollen

Eine kleine Gruppe junger Hammer setzt sich dafür ein, ein großes Problem zu lösen: DieFoodsharing-Aktivisten in Hamm sammeln Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden, und verteilen sie weiter. Leicht ist ihre Aufgabe nicht. Bisher macht nur eine Handvoll Ehrenamtlicher mit.
Katharina Anders Gefriertruhe ist voller Brötchen. Sie stammen von einer Hammer Tankstelle, wurden bis zum Ladenschluss nicht verkauft und sollten in den Müll. Doch Ander holte sie ab, verteilte so viel wie möglich an Freunde, Bekannte und die Obdachlosenhilfe, und fror den Rest ein. Die Ingenieurin (28) ist Foodsaverin, Essensretterin, und hat vor etwa einem Jahr eine Foodsharing-Gruppe in Hamm gegründet.
Foodsharing ist eine europaweite Bewegung und die Reaktion auf die Verschwendung von Lebensmitteln: Laut einer Studie von WWF werden jedes Jahr in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das entspricht einem Drittel dessen, was produziert wird, heißt es von WWF. Schon die Erzeuger werfen Essen weg, verarbeitende Unternehmen ebenso wie Händler und Kunden.
"Furchtbar, welche Menschen Lebensmittel weggeworfen werden"
Das Ausmaß der Verschwendung wurde Ander während eines

Auslandssemesters in Norwegen klar. „Die Norweger sind viel krasser als wir, die schmeißen noch viel mehr weg“, sagt sie. Sie begann, zu containern – durchwühlte also Müllcontainer an Supermärkten nach genießbaren Lebensmitteln. „Es ist furchtbar mit anzusehen, welche Mengen Lebensmittel weggeworfen werden.“
Zurück in Deutschland, suchte Ander einen anderen Weg, Lebensmittel zu retten – das Containern kann hierzulande strafrechtlich verfolgt werden. Sie stieß in ihrer Studienstadt Leipzig auf Internetseite foodsharing.de. Die Idee ist einfach: Wenn jemand Lebensmittel nicht mehr braucht, bietet er sie auf der Plattform foodsharing.de an. Wer sie haben will, holt sie ab. Einen Schritt weiter gehen die, die Foodsaver werden – so wie Ander. Sie holen Lebensmittel bei Firmen ab, die sie sonst wegwerfen würden.
Durchs Raster gefallen
Damit sind die Foodsharing-Aktivisten in Hamm nicht allein. Auch Vereine wie die Tafel und Betreiber von Suppenküchen verwenden Lebensmittel weiter, die sonst weggeworfen würden. Allerdings fallen manche Firmen durchs Raster – so wie das Reformhaus Northoff: Eigentümer Rolf Northoff hat zum Ladenschluss am Samstag oft Backwaren übrig, die er an die Tafel spenden wollte. Doch die Tafel schloss vor seinem Ladenschluss, die Zusammenarbeit misslang. Bis vor vier Wochen landete alles, was er nicht verkaufen oder verbrauchen konnte, im Müll. „Natürlich tut mir das leid. Man hat das Brot für teuer Geld gekauft, und dann wirft man es weg“, sagt Northoff.
Nun holt die Foodsharing-Gruppe die Backwaren bei ihm ab, mal ein Brot, mal 15. „Darüber bin ich sehr froh“, sagt Northoff. Neben dem Reformhaus sind eine Tankstelle und ein Stand auf dem Wochenmarkt die einzigen Händler, bei denen Ander und ihre Mitstreiter bislang Lebensmittel abholen.
"Es gibt so viel Potenzial in Hamm"
Ander glaubt, dass in Hamm viel mehr Lebensmittel gerettet werden könnten: „Es gibt so viel Potenzial in Hamm. Aber es scheitert daran, dass wir zu wenige sind.“ Die Gruppe besteht im harten Kern aus vier bis fünf Personen. Zu wenige, um damit noch mehr Essen bei Händlern abzuholen. „Wir müssen ja verlässlich sein, und wenn wir sagen, dass wir etwas abholen, müssen wir das auch einhalten.“
Die Ingenieurin selbst ist mindestens zwei bis drei Stunden pro Woche im Einsatz. Neben dem ökologischen Aspekt hat sie an der Lebensmittelrettung Spaß: „Man muss kreativ werden. Man bekommt ja Lebensmittel – teilweise in einer großen Menge – die man sonst gar nicht gekauft hätte“, sagt Ander. Sie hat deshalb an Seminaren zum Marmeladekochen teilgenommen, kocht ungewöhnliche Rezepte wie Brotauflauf. Zudem spart sie Geld. „Ein netter Nebeneffekt.“
Sollte die Gruppe größer werden, wollen Ander und ihre Mitstreiter einen sogenannten Fairteiler einrichten. So nennen Foodsaver einen Ort, an dem ihre Lebensmittel abgeholt werden können. Täglich wird der Ort befüllt und gepflegt. In Hamms Nachbarstädten Werne und Bergkamen gibt es das schon. „Aber auch das scheitert daran, dass wir zu wenige sind“, sagt Ander.
Facebook-Gruppe zu Foodsharing
Für die, die Lebensmittel weitergeben wollen, die sie selbst nicht mehr brauchen, gibt es eine Gruppe im sozialen Netzwerk Facebook. Sie heißt „Foodsharing Hamm und Umgebung“ und hat fast 1 300 Mitglieder. Fast täglich schreibt dort jemand über Lebensmittel irgendwo im Stadtgebiet, die er nicht mehr braucht. Anders als in der Foodsharing-Gruppe von Ander geht es hier aber ausschließlich um die Weitergabe von Lebensmitteln unter Privatleuten – und nicht darum, Lebensmittel bei Händlern abzuholen.