Modellkommune Hamm: Um diese Öffnungen geht es - Herter mahnt
Hamm wird ab dem 26. April Modellkommune für Lockerungen des Corona-Lockdowns. Oberbürgermeister Marc Herter hat erste Details genannt; er mahnt aber auch.
Hamm - Die Stadt Hamm werde nicht einfach flächendeckend Bereiche des öffentlichen Lebens wieder öffnen, sondern verbunden mit einem strengen Reglement, den weiter harten Kontaktregeln und Testungen einzelne Teilprojekte möglich machen, erklärte Herter in einer Videokonferenz am Freitag. Weniger Stunden zuvor war bekannt geworden, dass die Stadt Hamm ab dem 26. April Modellkommune für Lockerungen im Lockdown sein soll. (News zum Coronavirus in Hamm)
Projekt | Modellkommunen in NRW |
Teilnehmer | 14 Städte und Kreise |
Voraussetzung für den Start | Inzidenz unter 100 |
Modellversuch in Hamm: Kultur und Sport als wichtige Bausteine
„Wir konnten mit einer Bewerbung überzeugen, die in sich stimmig ist. Wir hatten dabei nicht nur Einkaufen und Gastronomie im Blick, sondern auch Kultur und Sport“, so Herter. „Das Leben von 99 Prozent der Menschen in diesem Land besteht ja nicht nur aus Essen gehen und Shoppen. Kultur und Sport gehören auch als wichtige Bausteine dazu.“
Die Auswahl Hamms sei „eine schöne Anerkennung des Weges, den wir in den letzten Wochen und Monaten in Hamm genommen haben. Vom bundesweiten Hotspot zur Modellkommune ist es ein weiter Weg, den man zurücklegen muss“. Herter erklärte, dass das nicht nur durch die Nachverfolgung und Teststrategie gelungen ist. „Vor allem, dass die Bürger in Hamm mitgezogen haben und sich an die Infektionsschutzmaßnahmen und Kontaktbeschränkungen halten, hat dazu beigetragen“, so Herter.
„Biergärten öffnen nicht, bevor Schulen wieder offen sind“
Er sei „gar nicht böse drum“, dass Hamm erst in der zweiten Staffel ab dem 26. April lockern dürfe, sagte Herter. Denn: „Ich kann mir nicht vorstellen, die Biergärten zu öffnen, während die Schulen zu sind. Das wäre ein völlig absurdes Bild.“ In diesen zwei Wochen hätten Land und Bund außerdem die Zeit, einen gemeinsamen Weg in der Pandemie-Politik zu finden.
Die Bewerbung der Stadtverwaltung ist mit „Reallabor Hamm. Mit Sicherheit öffnen.“ überschrieben. In dem dreiseitigen Papier, das im Original auch auf der Internetseite der Stadt zu finden ist, wurden die Außengastronomie und der Handel in der Innenstadt, das Allee-Center, das Cinemaxx sowie die städtischen Kultur- und Freizeiteinrichtungen wie das Gustav-Lübcke-Museum, die Stadtbücherei, der Maximilianpark und der Tierpark Hamm als konkrete Versuchsfelder benannt.
Hallen- und Sportinfrastruktur sollen soweit ertüchtigt werden, dass Einchecken mit der „Luca“-App und negativem Schnelltest möglich wird. Auch der Stadtsportbund soll eingebunden werden.
Die Kapazität der inzwischen mehr als 25 Schnelltestzentren in Hamm könne unmittelbar von 8000 auf 21.000 Schnelltests täglich erweitert werden, hieß es außerdem in der Bewerbung.
Das Projekt soll vom Fraunhofer Anwendungszentrum Symila, der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL) sowie vom Land wissenschaftlich begleitet werden.
Corona in Hamm: Strenge Regeln bleiben in Kraft
Herter betonte: Die allgemeinen Regeln - etwa zu Kontakten im öffentlichen und privaten Raum (5 Personen aus 2 Haushalten, Kinder unter 14 Jahren unberücksichtigt), der Maskenpflicht in der Innenstadt und bei der Verhängung von Quarantänen - blieben in Kraft. „Sonst sind die Entwicklungen der Infektionszahlen einzelnen Maßnahmen nicht mehr klar zuzuordnen. Der harte Kurs im Allgemeinen bleibt und ermöglicht uns gleichzeitig mehr Freiheit im einzelnen.“
Was bald tatsächlich möglich sein wird, ist vollkommen unklar. „Ich kann nicht genau sagen, was uns konkret erwartet“, weiß auch Herter noch nicht mehr. Der Versuch dürfe nicht wie in Tübingen enden, sondern müsse belastbare Daten liefern. Davon hänge ab, was umgesetzt wird. Es werden also ganz sicher nicht alle Sporthallen, Fitnessstudios, Gastro-Angebote und Geschäfte gleichzeitig und unabgestimmt geöffnet. Welche Teilprojekte im Detail umgesetzt werden, entscheidet letztlich das Land.
Verwaltung sucht weiter Akzeptanzstellen für „Luca“-App
In den kommenden zwei Wochen liegt dennoch viel Arbeit vor der Verwaltung. Alle Schnelltestzentren brauchen eine verlässliche und effiziente Schnittstelle mit dem Gesundheitsamt. Für die „Luca“-App oder andere digitale Kontaktdaten-Erfasser müssen mehr Akzeptanzstellen eingerichtet werden. „Die Digitalisierung wird uns noch große Dienste leisten, um unsere Freiheit zurück zu bekommen“, ist der OB sicher.
Ob der Modellversuch überhaupt starten kann, ist indes unsicher. Über allem schwebt das Damoklesschwert eines sehr harten Lockdown, der vom Bund durchgesetzt würde - und wohl alle Öffnungen nichtig machen würde. Außerdem muss der Inzidenzwert zum Auftakt auf jeden Fall unter 100 liegen. Erst am Freitag kletterte der Wert für Hamm auf 101,2.
Wenn der Inzidenzwert im Laufe des Projekts sieben Tage in Folge über 100 liegt, wird der Modellversuch zudem abgebrochen, teilte Landes-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart mit. Es sei denn, die Stadt kann schlüssig erklären, dass die erhöhten Werte nichts mit den Lockerungen zu tun haben und zum Beispiel auf ein klar eingrenzbares Ausbruchsgeschehen zurückgehen.
Lockerungs-Tourismus? Hamm soll kein „Winterberg“ werden
Inwieweit Auswärtige ebenfalls von den Öffnungen in Hamm profitieren dürfen, sei noch mit dem Land abzustimmen. Im näheren Umkreis sind die Kreise Warendorf und Coesfeld sowie der Kreis Soest mit den Städten Lippstadt und Soest ebenfalls Modellkommunen.
Dass viele Menschen von außerhalb nach Hamm einfallen, glaubt Herter nicht, würde das im Zweifel aber auch verhindern. „Hamm darf nicht das Winterberg Westfalens werden“, sagte er in Anspielung auf Touristenmassen rund um die Schneetage, die im Sauerland für mächtig Ärger sorgten.
Ein breit aufgestelltes Bündnis aus Stadt Hamm, der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund, dem Handelsverband NRW Westfalen-Münsterland e.V., der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe, DEHOGA Westfalen e.V., der Wirtschaftsförderung Hamm, dem Allee-Center Hamm sowie dem Beirat Einzelhandel Hamm hatte sich für die Bewerbung stark gemacht.