Existenzangst greift um sich: Wirten laufen wegen neuer Corona-Regeln die Gäste weg

Sperrstunde, Alkoholverbot, ständig neue Regeln, verunsicherte Gäste: Die aktuellen Richtlinien und Einschränkungen wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen in Hamm treffen die Wirte und Gastronomen hart. Viele Tische bleiben deshalb leer – die Kassen auch. Das bedroht teilweise die Existenz, sorgt aber auch dafür, dass die Gastronomen kreativ werden.
Hamm - Die Sperrstunde war für Karsten Plaß, Inhaber des Pirates auf der Meile angesichts ähnlicher Regeln andernorts absehbar. Er könne das Vorgehen der Politik sogar teilweise nachvollziehen. Er gibt aber zu bedenken: „Ich bezweifle, dass 20- bis 30-Jährige so vom Feiern abgehalten werden. Die treffen sich dann privat. Bei uns und in anderen Betrieben läuft das wenigstens kontrolliert mit Security, Maske und Desinfektionsmittel ab.“
Hin und Her für Gäste und Wirte nervig
Die Öffnungszeiten hatte Plaß wegen der Pandemie reduziert. Nun wird es wohl wieder Anpassungen geben. „Es lohnt sich wahrscheinlich nicht, nach 0 Uhr noch auf zu haben, wenn wir kein Alkohol mehr ausschenken dürfen“, sagt der Wirt. Für die Gäste sei dieses Hin und Her extrem nervig. Trotzdem will Plaß nicht zu viel meckern. „Wir werden weiter am Mittwoch, Freitag und Samstag geöffnet haben“, sagt er. „Jetzt gilt es, flexibel zu sein.“ Das war schon im Sommer der Fall. Plaß erweiterte kurzerhand die Speisekarte. Mit Erfolg. „In wenigen Einzelfällen lief das finanziell sogar besser als vor Corona.“ Die Sommermonate habe Plaß nach eigenem Bekunden deshalb verhältnismäßig gut überstanden. „Das fühlte sich teilweise schon fast normal an.“

Trotz guter Abende: Minus von über 100.000 Euro
Allerdings: Der finanzielle Schaden liege trotzdem weit über 100.000 Euro. „Jetzt die große Frage: Wie kommen wir über den Winter?“, rätselt das Meilen-Urgestein. Er werde in diesem Jahr kein Weihnachtszelt aufbauen, wohl aber die ohnehin vorhandenen Buden im Außenbereich bestücken. „Ich rüste meine Mitarbeiter jetzt mit Skianzügen aus, damit sie weiter draußen arbeiten können. Irgendwie müssen wir ja durch den Winter kommen“, so Plaß.
Beim geplanten Neubau auf dem Pirates-Gelände wurde indes erneut der Pause-Knopf gedrückt. Erst wenn es einen Impfstoff und nachhaltige Lockerungen gebe, könne das Projekt wieder angegangen werden. „Im Moment werden ja wöchentlich die Regeln geändert. Da würde ich mich selbst in den Ruin treiben, wenn wir in dieser unsicheren Lage anfangen würden zu bauen. Was nützt ein toller Neubau, wenn keiner kommen kann?“
Pessimismus im Alten Fährhaus
Bei Olaf Weber vom Alten Fährhaus ist die Gemütslage schlecht. Normalerweise wäre das Fährhaus zu dieser Jahreszeit 14 Tage im Voraus ausgebucht, Weihnachtsfeiern müssten Monate im Voraus angemeldet werden. „Wir haben locker Umsatzeinbußen von 70 Prozent“, erklärt Weber. „Ich weiß nicht, wie lange wir das noch schaffen. Vielen anderen geht es genauso.“
Durch die Regel-Unsicherheiten würden nun auch noch etliche Tische storniert, an denen mehr als fünf Personen gemeinsam essen wollten. Ein weiterer Knackpunkt: „Die Leute essen nur noch und bleiben dann nicht noch und trinken etwa einen Wein. Das merken wir in der Kasse.“ Auch im großen Saal gibt es so gut wie keine Feiern mehr.
Andre’s Dinner vorerst dicht
Frank Raulf und Andre Krawczyk von Andre’s Dinner und Andre’s Restaurant haben frühzeitig die Reißleine gezogen. Mitte September, als die Infektionszahlen nach der ersten türkische Großhochzeit stark stiegen und die Mini-Kirmes an den Zentralhallen abgebrochen wurde, schlossen sie ihr Dinner an der Richard-Wagner-Straße – vorerst bis zum 21. Oktober.

Seitdem konzentrieren sie sich auf den Restaurantbetrieb an der Werler Straße. „Da haben wir mehr Fläche, haben aber auch dort viele Absage – gerade von Älteren und Auswertigen – bekommen“, sagt Raulf. „Viele kommen im Moment nicht nach Hamm, weil sie überall lesen, dass wir ein Risikogebiet sind.“
Raulf: „Es muss ja irgendwie weitergehen“
Gestern waren die beiden Gastronomen in den Niederlanden, um Weihnachtsdekoration für die beiden Lokale zu kaufen. „Es muss ja irgendwie weitergehen“, meint Raulf. Auch, wenn die Buchungen für die Festtage bislang mehr als spärlich ausfallen. Firmenchefs, die dieses Jahr keine Weihnachtsfeier veranstalten, rät der Gastronom, ihren Mitarbeitern Gutscheine für Hammer Restaurants zu schenken: „So hat jeder etwas davon. Es gibt eine Aufmerksamkeit für die viele Arbeit und das Geld kommt bei den Wirten an.“
Obwohl die Lage auch für Krawczyk und Raulf nicht einfach ist, blicken beide weiter optimistisch nach vorne. „Wir suchen lieber Lösungen als zu sagen, dass alles schlecht ist. Jetzt haben wir Ruhe, um Neues auszuprobieren. Wie zuletzt ein leckeres Kürbis-Chutney.“
Wie sich die anderen Gastronomen auf den Winter vorbereiten und etwa ihre Außenbereiche für Gäste auch in der kalten Jahreszeit nutzbar machen, haben wir hier zusammengefasst.
Verwirrung über Anzahl der erlaubten Gäste
Verwirrung gibt es aktuell bei vielen Restaurant-Gästen über die Regelung für Treffen in der Öffentlichkeit und damit auch in der Gastronomie. Es dürfen sich fünf Personen aus jeweils komplett unterschiedlichen Haushalten treffen oder auch mehr, wenn sie nur zwei Haushalten angehören. Ein Beispiel: Fünf Freunde, die alle woanders wohnen, dürfen zusammenkommen, sechs aber nicht. Zwei vier- oder fünfköpfige Haushalte, etwa Familien, dagegen schon. Und das, obwohl dann acht oder zehn Personen am Tisch säßen.
Gastronomen betonen außerdem: Selbst, wenn eine größere Gruppe aus verschiedenen Haushalten zusammenkommen wolle, könne man diese eben Corona-konform getrennt voneinander an mehreren Nebentischen platzieren. Absagen von Tischreservierungen seien dadurch unnötig.