Mitten im Atlantik
Pandemie unter Palmen: Ex-„Haus-Refus“-Betreiberin Brigitte Kalle über das Leben auf den Azoren
Die ehemalige Hammer Wirtin Brigitte Kalle berichtet, wie sie die Ausbreitung des Coronavirus in ihrer Wahlheimat mitten im Atlantik erlebt.
Hamm/Sao Miguel – In Hamm war sie zuletzt im Herbst. Aber sie bekomme immer wieder Besuch aus ihrer alten Heimat, erzählt Brigitte Kalle, die 2016 mit ihrem Lebensgefährten André auf die Azoren ausgewandert ist und die sich dort mit der Verwaltung und Vermietung von Ferienhäusern eine neue Existenz aufgebaut hat. Und eigentlich sollte die Saison Ostern wieder so richtig anlaufen. Doch dann kam Corona.
Einheimische reagieren locker auf Virus-Welle
Die Pandemie hat auch die rund 3.000 Kilometer Luftlinie von Hamm entfernt gelegene Inselgruppe im Atlantik erwischt. Und doch kann Kalle einen gravierenden Unterschied zu Deutschland ausmachen: Zwar gebe es auch auf den Azoren starke Einschränkungen im öffentlichen Leben. Und über die Lage in Deutschland könne sie sich nur über die Medien informieren. Insgesamt aber gingen die Menschen in ihrer neuen Heimat viel lockerer und weniger panisch mit dem Virus um als in anderen Ländern. Auch die gestrandeten Touristen seien relativ entspannt.
Keine Maskenträger im Straßenbild
Dabei sind dort aktuell rund 140 Menschen mit dem Corona-Virus infiziert. „Mittlerweile haben wir auch schon zehn Tote, allein drei haben sich in einem Altenheim angesteckt.“ Ja, und auch auf den Azoren seien vor allem Senioren mit einer Vorerkrankung betroffen. „Aber Menschen, die eine Maske tragen, sieht man bei uns nicht.“
Brigitte Kalle: So lebt die Haus-Refus-Frau auf der Trauminsel
Kitas und Schulen sind geschlossen, Kinder bekommen Fernunterricht. Bars, Restaurants und Hotels sind ebenfalls dicht. Das treffe nicht nur die Betreiber, sondern auch die vielen Fischer und Farmer auf den Inseln. Denn: Die kommen jeden Morgen vor Arbeitsbeginn, wie Kalle erzählt, in den Cafés zusammen, trinken ihren Kaffee und tauschen sich aus. „Und das fällt jetzt weg.“ Für viele sei das ein echtes Problem.
Desinfektionsmittel für 98 Cent
Einschränkungen gibt es auch an anderer Stelle. Die Hauptinsel Sao Miguel, auf der Kalle lebt, ist in fünf Bezirke eingeteilt. „Und derzeit dürfen wir unseren Bezirk nicht verlassen“, berichtet sie. Das sei in etwa so, als ob man nicht von Hamm nach Dortmund fahren dürfe.
Dem Krisenmanagement auf den Azoren und in Portugal insgesamt stellt die Hammerin, die von 2009 bis 2016 das „Haus Refus“ betrieben und in dieser Zeit unter anderem den legendären Burger-Bus angeschafft hat, insgesamt ein gutes Zeugnis aus. Für von der Krise betroffene Unternehmen seien die Sozialabgaben reduziert worden, für Desinfektionsmittel gebe es eine Preisbeschränkung. „Sie kosten nur 98 Cent.“ In den großen Supermärkten gebe es Einlasskontrollen, in den kleinen nicht. „Aber die Menschen halten sich an die Abstandsregeln, die natürlich auch bei uns gelten.“
Von der Außenwelt abgeschnitten
Bereits seit Mitte März sind die Azoren quasi von der Außenwelt abgeschnitten. Flugzeuge dürfen nicht mehr landen, Kreuzfahrtschiffe, Segler oder Yachten die Inseln nicht ansteuern. „Lediglich Transportflugzeuge kommen noch zu uns.“ Mit an Bord seien dann auch schon mal Menschen vom Festland, die auf einer der Inseln ihre Familien haben. „Sie müssen aber 14 Tage in Quarantäne. Dafür stehen Hotels, die derzeit geschlossen sind, zur Verfügung.“ Auch ihr Lebensgefährte habe sich nach seiner Rückkehr aus Deutschland, als reguläres Fliegen noch möglich war, in häusliche Quarantäne begeben müssen.
Wie lange das alles noch anhält? Bis der Tourismus wieder anlaufen wird, dürften noch einige Wochen vergehen. Frühestens Anfang Juni werden wieder Passagierflugzeuge landen und mit ihnen auch die ersten Touristen kommen, schätzt Kalle. Hotels werden dann vermutlich aber noch nicht öffnen, sondern nur Ferienhäuser oder -wohnungen.
Kein Mangel an Arbeit
Einige dieser Immobilien verwaltet Brigitte Kalle im Auftrag der Eigentümer, die die Häuser oft nur wenige Wochen im Jahr nutzen. Die andere Zeit werden sie vermietet. Sie kümmere sich während dieser Zeit um die Touristen und die Häuser.
Über Mangel an Arbeit brauchen sich Brigitte Kalle und ihr Lebensgefährte ohnehin nicht beklagen. Denn am eigenen Haus gebe es viel zu tun. Und damit meint sie vor allem die vielen Tiere. Zum Anwesen gehören unter anderem acht Hunde, sieben Katzen, Hühner und ein Ziegenbaby. Und die wollen ebenso versorgt werden wie die Bananen-, Zitronen- und Avocadobäume im Garten. „Langsam werden wir zu Selbstversorgern“, sagt Brigitte Kalle.
Dennoch würde sie sich freuen, auch bald wieder ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen zu können.
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