Faktencheck
Professor landet Youtube-Hit – indem er Fake-News zum Ukraine-Krieg seziert
Klaus Gestwa, aus NRW stammender Professor an der Uni Tübingen, klärt auf Youtube über Fake News zum Ukraine-Krieg auf. Damit landet er einen Hit.
Hamm– Große Klappe, nichts dahinter: Klaus Gestwa hat genug von den selbst ernannten und wenig qualifizierten Russland-Kennern und tritt ihnen mit Fakten entgegen. Sein YouTube-Video ist ein Internet-Hit.
„Mein Name ist Klaus Gestwa. Ich bin Professor für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde und der Direktor des Instituts für Osteuropäische Geschichte an der Universität Tübingen.“ Mit diesen Worten beginnt der Osteuropa-Experte den Beitrag, der bislang 605 275 Mal (Stand 20. April) aufgerufen wurde. Angetreten ist der in Hamm aufgewachsene Wissenschaftler (Abitur am Hammonense), „weil zu beobachten ist, dass sich in den letzten Monaten in der deutschen Öffentlichkeit sehr meinungsstarke, aber auch oftmals ahnungslose Stimmen laut zu Wort melden (...)“. Deshalb sei es an der Zeit, diese Falschannahmen zu thematisieren und einen klaren Blick auf die Entwicklung im östlichen Europa zu werfen.
Professor landet Youtube-Hit – indem er Fake-News zum Ukraine-Krieg seziert
Gestwa tut das in der Tübinger Universitätsbibliothek. Morgens um 8.30 Uhr werden dort am 17. Februar die beiden Kameras gestartet. Gestwa sitzt vor langen Bücherreihen, vor sich nur ein paar Notizen, die er sich am Abend zuvor gemacht, berichtet wa.de. „Thesencheck: Diese acht Behauptungen über den Krieg in der Ukraine sind falsch“ lautet der Titel des Videos.
Um 10 Uhr ist der Dreh im Kasten. Es ist ein „First Take“ – also nichts wurde wiederholt oder noch einmal eingesprochen. Lediglich zwischen einer und der nächsten Frage wurde eine kleine Pause gemacht und Kameras und Mikro nachjustiert. Das Video ist am Ende 45 Minuten lang.
Die Thesen, die der 59-jährige Wissenschaftler als falsch abarbeitet, lauten:
- Die Nato hat Russland bedroht – Putin musste sich verteidigen.
- Die Ukraine gehört historisch gesehen zu Russland.
- Niemand kann genau sagen, was Putin will.
- Die Ukraine ist kein demokratischer Staat, sondern wird vom Westen und von Oligarchen gesteuert.
- Die Krim und der Donbas gehören historisch gesehen zu Russland.
- Wer Waffen liefert, verlängert den Krieg.
- Russische Medien lügen auch nicht mehr als westliche.
- Die Ukraine und der Westen hätten den Krieg längst über Verhandlungen beenden können.
Professor macht auf Youtube Faktencheck zum Ukraine-Krieg und hinterlegt dutzende Quellen-Texte
Zwischen vier und acht Minuten widmet sich Gestwa jedem einzelnen Komplex und seziert die Thesen als Fake-Nachrichten und Teile der von Moskau gesteuerten Desinformations-Kampagne. Gestwa tut das ruhig, sachlich, pointiert. Er ist eben kein Dampfplauderer, sondern Wissenschaftler. Zu seinen Aussagen sind Dutzende Quellen-Texte hinterlegt, die der Betrachter im Anschluss online abrufen kann. Ferner wird im Anhang ein Verzeichnis mit weiterführender Literatur bereitgestellt. Benutzerfreundlich ist zudem, dass jeder Abschnitt einzeln aufgerufen werden kann.
Am 23. Februar 2023, dem Vorabend des ersten Jahrestages des Krieges, geht das Video erstmals online. Einen Monat später sind fast 350 000 Aufrufe gezählt. Noch einen Monat weiter sind es gut 600 000. Zwischen 4 000 und 6 000 Aufrufe kamen zuletzt täglich hinzu.
„Wir sind alle sehr überrascht und erfreut“, sagt Gestwa, der in den zurückliegenden 14 Monaten immer wieder höchst bemerkenswerte Interviews zum Kriegsgeschehen in der Ukraine gegeben und nahezu jede Entwicklung richtig vorausgesehen hatte. Ebenfalls eine These von ihm in einem Interview mit wa.de zum Start des Ukraine-Krieges: Der Westen habe versagt.
Die mit der Umsetzung betraute Hochschulkommunikation habe mit mehreren zehntausend Video-Aufrufen gerechnet. „Aber es hat sich relativ schnell eine eigene Dynamik entwickelt“, so Gestwa. Rund 300 Mails hat er von Betrachtern erhalten. Mehr als 90 Prozent der Schreiber seien voll des Lobes und bedankten sich für die klaren und aufklärenden Worte, sagt Gestwa. Selbst aus Butscha, dem Ort eines der größten Kriegsmassaker, habe er Reaktionen erhalten. Genug neue Fragen für eine Fortsetzung seien bereits gesammelt, ein Termin stehe aber noch nicht fest.