Großkonzerne Nestlé und Mars kaufen Tierarztpraxen auf - es gibt Kritik
Immer mehr Tierarztpraxen in Deutschland wechseln den Besitzer. Großkonzerne wie Nestlé oder Mars kaufen seit Jahren ganze Praxen auf. Daran gibt es Kritik.
Hamm - Immer mehr Tierarztpraxen in Deutschland wechseln den Besitzer. Bereits jetzt sind über 150 Praxen und Tierkliniken nicht mehr inhabergeführt. Großkonzerne kaufen sich europaweit in die Tiermedizin ein. Zwei große Lebensmittelriesen sind vorne mit dabei. Die Tierärztekammer sieht die Entwicklung kritisch.
Land | Deutschland |
Kanzler | Olaf Scholz (SPD) |
Bevölkerung | 83,24 Millionen (2020) |
Nestlé und Mars: Großkonzerne kaufen Tierarztpraxen auf - es gibt Kritik
Das neue Modell lockt Praxen an, berichtet Radio Regenbogen. Das Netzwerk und Kapital der Großkonzerne versprechen Sicherheit. Zwei schwedische Unternehmen sind in Deutschland mittlerweile führend - Anicura und Evidensia. Während Evidensia zum Nestlé-Konzern gehört, hat der US-amerikanische Nahrungsmittelkonzern Mars im November 2018 Anicura übernommen.
Nestlé und Mars: „Big Player“ auf dem Tierfutter-Markt
Beide Konzerne gehören zu den „Big Playern“ auf dem Tierfutter-Markt, machen Milliarden-Umsätze. Mittlerweile gehören jeweils rund 60 deutsche Tierkliniken zu den Konzernen. Die Tierärztekammer befürchtet laut Radio Regenbogen, dass die Ärzte aufgrund ihrer Abhängigkeit von den Konzernen nicht mehr frei sind in der Entscheidung über Medikamente, Futtermittel und Verbraucherempfehlungen.
Heiko Färber, Geschäftsführer des Bundesverbands praktizierender Tierärzte (bpt), sieht aber nicht nur Risiken durch die Initiative der Großkonzerne. Der Rheinischen Post (RP) sagte Färber: „Wenn Kliniken zum Beispiel nicht aufgekauft würden, wäre das für Tierhalter noch dramatischer, weil die Praxen sonst oft schließen müssten.“ Der Geschäftsführer des bpt führt das zurück auf ein massives Nachwuchsproblem in der Tiermedizin.
Tiermedizin: Nachwuchs scheut die Selbstständigkeit
Demnach sinke die Tendenz zur Selbständigkeit, Jungmediziner scheuen das finanzielle Risiko und den hohen Arbeitsaufwand als Praxiseigentümer. Vielmehr legen sie Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance. „Diese spielt den Konzernen in die Hände, weil sie als Organisation flexiblere Arbeitsmodelle bieten können“, erklärte Färber.
Rechnerisch brauche es mittlerweile für eine Vollzeitstelle drei Veterinäre. Das habe mit der Feminisierung des Berufsstandes zu tun, erklärten Martin Kramer, Präsident der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) und Ralf Unna, Tierarzt und Vizepräsident des Landestierschutzverbandes NRW, der RP. Rund 85 Prozent der Studierenden der Tiermedizin sind Frauen. Eine grundsätzliche niedrigere Gründungsquote bei Frauen sowie Familienplanung führen laut Unna und Kramer zu den bekannten Problenen des Berufsstandes. Sie plädieren dafür, mehr Tierärzte auszubilden.
Nestlé und Mars: Großkonzerne stehen im Wettbewerb
Kramer befürchtet aber nicht, dass unter den Großkonzernen die Arbeit der Tiermediziner leiden wird. „Auch Investorengruppen, die tierärztliche Kliniken aufkaufen, wollen und müssen Geld verdienen und sind nicht primär zum Wohle der Tiere entstanden.“ Allerdings hätten die Konzerne auch einen Ruf zu verlieren, da sie sich im Wettbewerb miteinander befänden.

Tierhaltern sei es egal, wer die geliebten Tiere verarztet. Hauptsächlich sei, dass die Qualität der Behandlung gesichert ist. Nach den Kosten würden viele Tierhalter gar nicht mehr fragen. „Für das Wohlbefinden ihres Tieres sind Halter bereit, jeden Preis zu zahlen“, sagt er.
Auch in der Tiermedizin sind resistente Keime ein zunehmendes Problem. Für den Bereich der Haus- und Nutztierhaltung wird zu dem Thema an der FU Berlin geforscht. Für Hundehalter wird 2022 ein besonderes Jahr: Die Tierschutz-Hundeverordnung kommt. Beim Gassigehen und der Kontrolle kommen neue Regeln auf Hundehalter zu. Es drohen sogar Bußgelder.