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„Das Tier stirbt ohne Stress“: Allgäuer Metzger geht neuen Weg – und schlachtet „tierlieb“

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Von: Carina Ottillinger

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Bei Metzger Martin Mayr stirbt das Tier ohne Stress und Angst. Mit seinem Schlachtanhänger fährt er die Allgäuer Höfe ab. Gleichzeitig hat die mobile Schlachtung ihren Preis.

Baisweil – Sterben ganz ohne Angst. Das ist in einem Tiertransporter mit über 30 Tieren nicht möglich. Der Weg vom Hof bis zur Schlachtung bedeutet für die Tiere Stress. Bei Metzger Martin Mayr ist das anders. Er kommt zu den Tieren und schlachtet direkt auf dem Hof in gewohnter Umgebung. Im Interview mit Merkur.de erklärt der Metzger, warum er sich für diesen Weg entschieden hat.

Mobile Schlachtung seit 2021: Start mit hoher Investition

Vor genau zwei Jahren entschied sich der 32-Jährige für die mobile Schlachtung. „Im April 2021 haben wir zum ersten Mal geschlachtet“, erinnert er sich. In dieses Geschäftsmodell hat Martin Mayr kräftig investiert. Fast 160.000 Euro Startkapital steckten er und sein Kooperationspartner Günztal-Weiderind in das kleine Unternehmen. Mayr kaufte davon einen Schlachtanhänger und mietete eine Metzgerei mit knapp 70 Quadratmetern in Baisweil, im schwäbischen Landkreis Ostallgäu.

Metzger Martin Mayr kommt zu den Tieren und schlachtet direkt auf dem Hof in gewohnter Umgebung.
Metzger Martin Mayr kommt zu den Tieren und schlachtet direkt auf dem Hof in gewohnter Umgebung. © IG Schlachtung mit Achtung

Bei der mobilen Schlachtung sterben die Tiere ohne Angst

„Ohne finanzielle Unterstützung und Hilfe beim Förderantrag wäre das Mammutprojekt nicht möglich gewesen“, sagt Martin Mayr. Doch all der Aufwand waren es wert. Denn über allem steht für ihn bis heute das Ziel einer stressfreien Schlachtung. Die Menschen sollten das Lebensmittel Fleisch und das Lebewesen dahinter mehr wertschätzen. „Ich will, dass die Tiere ohne Angst sterben können.“

Der gelernte Metzger hat selbst sieben Jahre auf einem großen Schlachthof gearbeitet. 2018 hat er dann im Bayerischen Rundfunk einen Beitrag über die mobile Schlachtung gesehen. „Mit der Schlachtung auf dem Hof können wir dem Tier ein Stück Leid nehmen.“ Knapp drei Jahre später wagte er den Schritt in die Eigenständigkeit.

Eine mobile Schlachteinheit

Die mobile Schlachteinheit MSE-200A ist etwa so groß wie ein PKW-Anhänger. Als EU-zertifizierten Schlachtstätte ist das Mobil ein vollwertiger Schlachtraum. Er besteht aus einem 19 Quadratmeter großen geschlossenem Arbeitsbereich mit einem Entblutungs-Kipptisch und Hygienevorrichtungen sowie einem aus- und einfahrbaren Fixiermodul mit Futterstelle.

Auf etwa 70 Höfen ist Martin Mayr unterwegs. Manchmal einmal im Monat, manchmal einmal im Jahr. Dafür fährt er sogar bis nach Senden. Ansonsten gehören Ober- und Unterallgäu, Peiting und Schongau zu seinen Regionen. Neben dem Landwirt ist auch immer ein ansässiger Amtstierarzt dabei. Beim Veterinäramt muss der Metzger im Vorfeld einen Antrag stellen und einen Termin für die Schlachtung vereinbaren. Der gesamte Ablauf einer mobilen Hofschlachtung ist gesetzlich festgeschrieben.

Martin Mayr bringt den Schlachthof zum Tier

Auf dem Hof stellt Martin Mayr einige Tage davor einen Fangstand mit Futter auf. Die Tiere können sich in dieser Zeit an das Fressgitter gewöhnen. Am Tag der Schlachtung bringt der Metzger einen sauberen Fangstand mit. Das Rind geht im Normalfall ohne Hilfe allein über die Futteranlockung in den Fangstand. Dann schließt sich der Nackenbügel und das Rind ist fixiert. Bei Komplikationen bricht der Metzger die Aktion ab. Dann startet er einige Tage später einen neuen Versuch.

Metzger Martin Mayr kommt zu den Tieren und schlachtet direkt auf dem Hof in gewohnter Umgebung.
Metzger Martin Mayr kommt zu den Tieren und schlachtet direkt auf dem Hof in gewohnter Umgebung. © IG Schlachtung mit Achtung

Läuft alles nach Plan, verabschiedet sich Martin Mayr von dem fixierten Rind und betäubt es durch den Bolzenschlag. Anschließend zieht er das Rind in das Schlachtmobil und versetzt ihm einen Bruststich. Im Anhänger lässt der Metzger das Tier ausbluten und fährt es in seine Schlachträume nach Beisweil oder zu einem externen Schlachthof.

Bei ausreichend Kapazität verarbeitet der 32-Jährige das Tier am liebsten in seinen eigenen Hallen. Dafür hat er einen Schlachtraum, einen Zerlegeraum und zwei Kühlräume. Alles wird verwertet. Der Gerber holt die Häute ab. Aus dem Rinderfett entsteht Fettschmelze für Vogelfutter. Kaum etwas wird verworfen. Allein Schädel, Hirn und Därme.

Im Schnitt schlachtet Mayr drei bis vier Rinder in der Woche. Das ist gut, aber leben kann er davon nicht. Zwei Tage in der Woche arbeitet er nebenher in einem Baggerbetrieb. Das werde sich wohl in naher Zukunft nicht ändern. Die Menschen würden wieder mehr in den Urlaub fahren und nicht mehr so viel Geld in gutes Fleisch investieren.

Regionalität, Tierwohl und Qualität haben ihren Preis

Martin Mayr wünscht sich eine größere Wertschätzung für Tier und Lebensmittel. Regionalität und Tierwohl hätten nun mal ihren Preis. Dazu komme die Spitzenqualität. „Das Tier stirbt ohne Stress und das schmeckt man“, erklärt der Metzger. Kein Adrenalin strömt in den letzten Sekunden vor dem Tod durch das Rind. Klar, wirke sich das auf das Fleisch aus.

Metzger Martin Mayr kommt zu den Tieren und schlachtet direkt auf dem Hof in gewohnter Umgebung.
Metzger Martin Mayr kommt zu den Tieren und schlachtet direkt auf dem Hof in gewohnter Umgebung. © IG Schlachtung mit Achtung

Ein Kilo Rouladen für 26,90 Euro. Im Mixpaket vom Rind, der beliebtesten Zusammenstellung, ist alles drinnen. In der Sommersaison werde auch gerne das etwas edlere Grillpaket gekauft. Mit Filetstücken und Clubsteak sei das etwas teurer. „Das meiste geht an Privatpersonen, aber der Ausbau mit der Gastronomie ist im Gange.“ Mit dem Expressversand verschickt er das Fleisch manchmal bis nach Hamburg. Daneben können die Allgäuer ihr Steak auch direkt in Beisweil abholen.

Martin Mayr weiß, dass sich das nicht jeder leisten kann. Trotzdem ist er von der mobilen Schlachtung überzeugt. „Die Tiere verbringen ihr ganzes Leben auf dem Hof. Ich finde, sie haben das Recht auf ein würdevolles Sterben.“

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