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„Lebendig angefressen“: Wolf verletzt fünf ausgewachsene Pferde

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Von: Lia Stoike

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Larissa Glass mit ihren Pferden
Larissa Glass mit ihrem Pferd „Zsazsa“ und der Kaltblutstute „Siri“. Beide Pferde wurden bei dem Wolfsangriff verletzt. © Privat

Insgesamt fünf Pferde wurden bei einer Wolf-Attacke im Kreis Aurich verletzt – darunter auch ein 700 Kilo schweres Kaltblut. Verlieren Wölfe allmählich die Scheu?

Kreis Aurich - Als Larissa Glass (34) am Samstag, 25. März, in den Offenstall ihrer Pferde kommt, spürt sie sofort, dass etwas nicht stimmt. Wenig später hat sie Gewissheit: Ein Wolf hat ihre Pferde angegriffen und eines lebensbedrohlich verletzt. Noch heute kämpft die 34-Jährige mit den Ängsten um ihre Tiere. Eine sichere Lösung für das Problem „Wolf und Pferdeschutz“ sieht sie derzeit nicht.

Wolf verletzt fünf ausgewachsene Pferde – Besitzerin muss Tiere befreien

Ein Großpferd und zwei Shetland-Ponys sind durch den Stormzaun gerannt, ein anderes Pferd steht „bauchtief“ im Mist und kann sich nicht mehr bewegen. Das ist das Bild, was Larissa Glas im März erwartet, als sie morgens in den Stall kommt. „Ich musste mein Pferd freischaufeln.“ So ein Szenario ist äußerst ungewöhnlich. Die Pferde haben keinen Zugang zu dem Bereich, in dem der Mist aufbewahrt wird.

Erst vor wenigen Jahren hat Glass mit ihrem Lebensgefährten den Hof gekauft und alles „neu gemacht“, auch den Stall und die Zäune. Aus dem ursprünglichen Milchviehbetrieb wurde ein Offenstall, direkt am Wohnhaus, bei dem die Pferde sich frei im Innen- und Außenbereich bewegen können.

„Knie war durchlöchert“ – Pferd schwebt nach Angriff eines Wolfs in Lebensgefahr

Als ihr jüngstes Pferd, eine Warmblutstute namens Zsazsa, auf sie zukommt, ist Larissa Glass schockiert. Zunächst ist das Ausmaß der Verletzungen nicht erkennbar, da Dreck und Schlamm die Wunden zum Teil bedecken. Doch kurz darauf steht fest: Das Jungpferd hat auf beiden Seiten schwere Bisswunden, sie schwebt in akuter Lebensgefahr. „Ihr Knie war durchlöchert“, beschreibt Glass. Die Wunden schwellen stündlich an. Es muss schnell gehen, also wird das Pferd in die Tierklinik gebracht und muss eine Woche medizinisch versorgt werden. Das Pferd könnte sein Leben lang beeinträchtigt sein.

junge Stute Szasza nach Angriff eines Wolfs
Die junge Stute „Zsazsa“ schwebte nach dem Angriff eines Wolfs im Kreis Aurich in Lebensgefahr. © Privat

Dass es sich um einen Wolf gehandelt hat, bestätigt kurz darauf auch der zuständige Gutachter, wie kreiszeitung.de berichtet. Matthias Eichler, Umweltministerium Niedersachsen, sagt: „Der zuständige Kammerförster hat aufgrund des vor Ort dokumentierten Rissbildes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit amtlich bestätigen können, dass es sich bei dem Verursacher um einen Wolf gehandelt haben muss.“

Wie viele Wölfe involviert waren, kann allerdings nicht gesagt werden. „Die gewonnenen DNA-Proben werden noch analysiert, eine DNA-Bestätigung ‚Verursacher Wolf‘ liegt also nicht vor.“ Auf umweltkarten-niedersachsen.de wird der Vorfall bereits als amtlich festgestellter „Schadensverursacher: Wolf“ geführt.

Verlieren Wölfe allmählich die Schweu? Umweltministerium äußert sich nicht

Auf die Frage, ob nach diesem Vorfall davon auszugehen ist, dass Wölfe in Deutschland allmählich die Scheu vor Großpferden verlieren, beantwortete das Umweltministerium Niedersachsen nicht. Erst vor wenigen Wochen kursierte ein Video in den sozialen Medien, das einen Wolf zeigt, der durch einen Pferdestall rannte. Dazu äußerte sich der hiesige Wolfsberater wie folgt: „Kein Wolf würde das Risiko eingehen, ein gesundes Pferd anzugreifen.“

Nach Wolf-Angriff: Fünf Pferde gesunde Pferde weisen Bisswunden auf

Larissa Glass erlebte den Gegenbeweis. Sie ist sicher: „So wie es aussah, wollte der Wolf die Kleine essen. Er hat sie zu Boden gekriegt und sie lebendig angefressen.“ An der Flanke habe das Raubtier begonnen. Hinzu kommt: Auch die anderen Tiere sind nicht unverletzt. Insgesamt fünf Pferde – alle Pferde zuvor gesund sowie kräftig und groß – weisen Bisswunden auf. „Ich bin froh, dass kein Tier gestorben ist.“ Glass kann bis heute am wenigsten fassen, dass ein Wolf sich auch an ihr Kaltblut, „ein riesengroßes Ding mit dicken Beinen”, herangetraut hat.

Beruhigt ist Glass dadurch allerdings nicht. „Ich bin nervlich für meine Verhältnisse ziemlich am Ende.“ Angst und ein Gefühl der Machtlosigkeit sind jetzt ihr täglicher Begleiter. Seit dem Vorfall hat die 34-Jährige keine Nacht mehr durchgeschlafen. Sobald ihre Hofhunde bellen, steht sie wenige Minuten im Stall und schaut nach dem Rechten. Alleine ist sie damit nicht. Eine Meinungsumfrage von kreiszeitung.de zeigte kürzlich, dass viele sich vor dem Wolf fürchten.

„Es gibt keine Lösung für das Problem“, sagt Glass. Einen sicheren Schutz für Pferde gibt es nicht. Tierhalter werden oft für Wolfsübergriffe verantwortlich gemacht, weil sie ihre Tiere nicht ausreichend vor dem Wolf schützen würden. Ähnliches äußert auch die Pressesprecherin des Naturschutzbundes (Nabu) Heidekreis im Interview mit kreiszeitung.de.

Aus tierschutzrechtlichen Gründen sind Pferdehaltern die Hände gebunden: Als sicher geltende und zum Schutz vor dem Wolf empfohlene Zäune sind bei der Haltung von Pferden nicht erlaubt. Die 34-Jährige bekommt nun Herdenschutzhunde zur Seite gestellt. Die Pferde von Larissa Glass dürfen nachts jetzt nicht mehr draußen sein, solange die Schutzhunde nicht da sind. Für Glass steht fest: „Der Wolf ist eine unberechenbare Gefahr in der Dunkelheit.“

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