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Burschenschaften: „Die marschieren sehr weit rechts“

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Burschenschafter Anfang Juni in Eisenach. ▪
Burschenschafter Anfang Juni in Eisenach. ▪ © dpa

BONN - Sie tragen Schärpen und pflegen das Mensurfechten: Mitglieder der Deutschen Burschenschaft gelten als äußerst konservativ. Manche sehen in den eigenen Reihen auch rechtsextremistische Tendenzen. Darüber ist heftiger Streit entbrannt, der nun erstmals ein Gericht beschäftigt.

In einem Zivilverfahren vor dem Bonner Landgericht will seit gestern der Gründer der Initiative „Burschenschafter gegen Neonazis“, Christian Becker, gegen zunehmende rechtsextreme Tendenzen bei den Studentenverbindungen vorgehen. Becker erklärte, der Burschenschafter-Funktionär Norbert Weidner, sei „höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung, die aus Burschenschaftern, NPD und Kameradschaften besteht“ und er strebe die Gründung einer „rechtsextremen Studentenpartei“ an. Weidner will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und verlangt eine Unterlassung der Darstellungen unter Androhung von 250 000 Euro Ordnungsgeld. Das Gericht will am 11. Juli sein Urteil verkünden.

Becker erklärte, es komme ihm darauf an, das Thema des Rechtsextremismus in Burschenschaften in die Öffentlichkeit zu bringen. „Man muss Zeichen setzen gegen Nazis.“ Welche Rolle die Rechtsextremen bei den Burschenschaften spielen, fragte Holger Drechsel die Gießener Politikwissenschaftlerin Dr. Alexandra Kurth, die sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt.

Burschenschaften gelten als trinkfest, konservativ und häufig auch als rechtsextrem. Wie weit rechts marschieren sie wirklich?

Alexandra Kurth: Die Burschenschaften in der Deutschen Burschenschaft marschieren sehr weit rechts. Das kann man festmachen an den Debatten, die geführt werden, sowohl in den Burschenschaftlichen Blättern aber auch auf dem Burschentag Anfang Juni auf der Wartburg, der abgebrochen wurde – ein in der Geschichte der Burschenschaften einmaliger Vorgang. Es zeigt sich auf der lokalen Ebene in der Einladung von Referenten aus dem rechtsextremen Spektrum und in den Themen, die ausgewählt werden. Ein negativer Höhepunkt war ein prominent platziertes Interview in den Burschenschaftlichen Blättern mit einem NPD-Landtagsabgeordneten.

Welche Verbindung gibt es zwischen Burschenschaft und NPD?

Kurth: Schon in den 1970er Jahren gab es eine Debatte in der Deutschen Burschenschaft, ob man einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der NPD herbeiführen möchte. Ein entsprechender Antrag wurde aber abgelehnt, man einigte sich auf eine wachsweiche Formulierung, nach der die Mitgliedschaft in rechts- und linksextremen Organisationen mit der Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft nicht vereinbar sei. Man definiert also die NPD nicht als rechtsextrem, denn selbstverständlich gibt es Mitglieder in der Deutschen Burschenschaft, die gleichzeitig NPD-Mitglieder sind. Das Spektrum der Burschenschaft insgesamt reicht aber vom Liberalkonservatismus bis Rechtsextremismus.

Zwischen diesen Flügeln sind massive Kämpfe im Gange. Woran hat sich der Streit eigentlich entzündet?

Kurth: Der Streit existiert schon sehr lange. Mitte der 1990er Jahre traten schon viele Burschenschaften aus, es ging damals um die Frage der Abgrenzung von Rechtsextremisten und noch viel stärker um die Frage der Aufnahme von Zivildienstleistenden. Wer damals einen Zivildienstleistenden aufnahm, schloss sich automatisch aus dem Dachverband aus. Jetzt ist der Streit neu entfacht worden an der Frage der Mitgliedschaft von Deutschen mit Migrationshintergrund. Teile des Verbandes sind der Auffassung, dass nicht die Staatsangehörigkeit entscheidet, ob jemand deutsch ist oder nicht, sondern dass die Abstammung das allein entscheidende Kriterium sein soll. Man ging sogar soweit, zu behaupten, dass diejenigen, die „eine nicht europäische Gesichts- und Körpermorphologie“ haben, keine Deutschen sein könnten – und damit keine Burschenschafter. Das ist offener Rassismus -- offener geht es nicht. Und das ging dann doch einigen zu weit.

Welche Bedeutung hat die Deutsche Burschenschaft überhaupt?

Kurth: Die Deutsche Burschenschaft selbst sprach im Jahr 2009 von 10 500 „Alten Herren“ und 1300 aktiven Mitgliedern. Real sind die Zahlen aber sicher noch geringer. Sie ist nach wie vor eine Organisation von Akademikern, die über Netzwerkstrukturen verfügen, und die eher höhere Positionen in der Gesellschaft erreichen und dort in ihrem Geiste wirken können. Es kann auch heute noch hilfreich in bestimmten Kreisen sein, Burschenschafter zu sein. So kommen Mitglieder in Multiplikatorenfunktion. Man darf das Problem Rechtsextremismus in Burschenschaften nicht unterschätzen.

Wie geht es weiter mit der Szene?

Kurth: Die Burschenschaften werden weiter existieren. Es wird vermutlich wieder zu Abspaltungen kommen. Übrig bleiben werden der harte rechtsextreme Kern und diejenigen, die damit keine Probleme haben. Die Deutsche Burschenschaft wird so vermutlich zu einer rechtsextremen Kaderorganisation, die keine Rücksicht mehr auf liberale und konservative Positionen nehmen muss.

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