Tierschützer und Zirkus Knie reichen sich die Hand

HAMM - Am Ende gaben sich Frank Bierkemper und Thorsten Brandstätter die Hand. Der Vorsitzende des Tierschutzvereins Hamm und Umgebung hatte sich den Zirkus Charles Knie anderthalb Stunden lang von dem Marketingleiter des Zirkusses zeigen lassen.
Von Michael Girkens
Und das Resumée von Frank Bierkemper lautete: "Ich bin positiv überrascht, die Tiere werden durch die Bank gut gehalten."
Das hatte Mitte der Woche noch ganz anders ausgesehen. Als vor ein paar Tagen bekannt wurde, dass Tierschützer am Sonntag zu einer Mahnwache vor dem Zirkus aufgerufen hatten, um gegen die Haltung von Wildtieren im Zirkus Charles Knie zu protestieren, regierte auch der Tierschutzverein mit einer Pressemitteilung.
"Wildtiere haben besonders hohe Ansprüche an Haltung und Unterbringung", hieß es da, "somit ist schlicht und ergreifend eine verantwortungsvolle, artgerechte Haltung in Zirkussunternehmen nicht machbar."
Zunächst zeigte Marketing-Mann Brandstätter gemeinsam mit Chefdresseur Marek Jama dem Vorsitzenden des Tierschutzvereins die Zirkustiere: Pferde, Rinder aller Arten, Kängurus, aber auch Tiger, Löwen und Elefant.
Gemeinsam betrachteten sie Größe des Auslaufs, das Zuhause der Tiere im Zirkuswagen und das Verhalten der tierischen Stars der Manege.
Video: Wie gefällt es den Hammern im Zirkus?
Später stand ein Besuch auf dem Stück des Peitzmeierplatzes an, auf dem derzeit die Elefanten leben. Das 45 Jahre alte Tier war entspannt und zutraulich, Bierkemper tätschelte es am mächtigen Rüssel.
"In Sachen Auslauf, Verpflegung und Haltung habe ich nichts auszusetzen", sagte Bierkemper dann, "auf mich macht das alles einen guten Eindruck." Aber beim Augenschein wollte Bierkemper es nicht belassen.
Reisen mit dem Zirkus: Nur Stress für die Tiere?
Der Lebensrythmus eines Zirkusses bedeute Stress für die Tiere, argumentierte Bierkemper. Das heißt: Alle paar Tage umziehen, verbunden mit Ab- und Aufbau von Zelten und Gehegen, das Einsteigen in die Zirkuswagen, das Gerumpel über Landstraße und Autobahn - ja, so stellt man sich Stress für Tiere vor.
Aber Thorsten Brandstätter hielt dagegen. Die Zirkustiere seien seit vielen Jahren an diesen Lebensrythmus gewöhnt, manche wie die Elefanten sogar seit Jahrzehnten. Die Zirkuswagen seien ihr Zuhause, und auf dem Zirkusplatz könnten sie ihr Zuhause jederzeit ins Gehege verlassen.
Das Einsteigen sei kein Stress, weil sie das ja mehrfach täglich machten. Schließlich, ergänzt Dresseur Jama, dauerten auch die Fahrten nicht so lange, dass sie bei den Tieren Stress auslösen würden: "Wir fahren 40 bis höchstens 200 Kilometer von einem Spielort zum nächsten", sagt er.
Brandstätter führt noch eine Studie an, nach der per Hormontest der Stress der Tiere während der Transporte gemessen wurde: "Da haben die Wissenschaftler nichts festgestellt."
Aber auch der Hammer Tierschützer lasst nicht locker. Wildtiere, sagt er, gehörten in die Wildnis, nicht in den Zirkus. Nur dort könnten sie ihr natürliches Wesen entfalten und artgerecht leben.
Die meisten Tiere kommen aus einer Nachzucht
Tierexperte Jama setzt dagegen: "Unsere Tiere wurden wie die meisten anderen Zirkustiere nicht in der Wildbahn gefangen, sondern sie stammen in der Regel aus einer Zucht." Eltern und Großeltern hätten schon nicht mehr in freier Wildbahn gelebt - die Zebras zum Beispiel hätten Afrika noch nie gesehen.
"Das sind alles Nachzuchten", ergänzt Marketing-Mann Brandstätter, "die haben sich eher daran gewöhnt, dass es um 17 oder 18 Uhr wieder in den Zirkuswagen geht, und sie stehen dann kurz vorher Schlange."
Video: Wilde Tiere im Zirkus Charles Knie
Kann die Dressur ein Tierschutzproblem sein? Nein, antwortet Chefdresseur Marek Jama, im Gegenteil. Inder Tiererziehung seien die großen Zirkusse schon lange ihrer Zeit voraus. Wenn er den "Hundeflüsterer" Martin Rüter im Fernsehen sehe, denke er: Was ist daran neu, das hat mein Vater doch schon so gemacht.
So muss auch der Vorsitzende des Tierschutzvereins Hamm und Umgebung am Ende eine positives Bilanz ziehen: Konkrete Bedenken hat er jetzt nicht mehr.