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Im Integrationslabyrinth

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Lilia Tetslau schoss scharf in alle Richtungen – und traf den Nerv des Publikums. ▪
Lilia Tetslau schoss scharf in alle Richtungen – und traf den Nerv des Publikums. ▪ © Zimmermann

HAMM ▪ „Angela Merkel und ich, wir haben viel gemeinsam. Wir lieben beide die Natur, trotz dessen, was sie aus uns gemacht hat“. Wenn die Frau, die das sagt, solche Lachsalven verschießt, tobt das Publikum und die Menge liegt am Boden vor Lachen. So geschehen am Montag, als Kabarettistin Lilia Tetslau als Gast der „Interkulturellen Woche“ im Bürgersaal der Sachsenhalle ihr Programm „Deutsch... aber immer noch nicht ganz“ präsentierte und dabei ein wahres Humorfeuerwerk abbrennen ließ.

Kein Auge blieb trocken, als Tetslau, Deutschlands einzige Aussiedler-Kabarettistin, eine Gag-Rakete nach der anderen zündete und dabei scharf in alle Richtungen schoss: Politiker, Aussiedler, Deutsche – sie alle bekamen gleichermaßen ihr Fett weg. Pointiert beleuchtete sie das Miteinander von Einheimischen und Aussiedlern und nahm mit fast schon spitzbübischer Freude Vorurteile aufs Korn. Das Publikum konnte sich vor Lachen kaum noch in den Sitzen halten, als Tetslau sich zum Beispiel über den typisch deutschen Hang zu ausufernder Bürokratie lustig machte. Gekonnt hielt sie den Deutschen den Spiegel vor, wenn sie von ihren ersten Integra-tionsbemühungen erzählte, als sie damals hier ankam: Mit einer Flasche Wein in der Hand habe sie damals die Nachbarn begrüßen wollen. Als diese jedoch argwöhnisch wurden, habe sie beschlossen, sich auf die „deutsche Art“ zu integrieren und fortan möglichst viel Distanz zu den Nachbarn zu wahren.

Das Publikum an diesem Abend, das sich sowohl aus deutschen als auch aus deutsch-russischen Gästen zusammensetzte, honorierte Tetslaus „Reise durchs Integrationslabyrinth“, wie sie ihre Betrachtungen nannte, mit viel Beifall. Viele Gesangseinlagen und lustige Einfälle, wie ihr Überfall auf das Publikum mit einer kleinen Wasserpistole, sorgten für eine unverkrampfte Stimmung und heiteres Gelächter. Den Höhepunkt des Abends bildete eine wundervolle Liebeserklärung an Deutschland, die in ihrer einmaligen Poesie ihresgleichen suchen dürfte.

Lilia Tetslau kam 1953 im sibirischen Angark zur Welt. 1956 zog sie mit ihrer Familie nach Kasachstan. Schon früh begeisterte sie sich für Tanz und Musik. Die gelernte Schauspielerin und Theaterregisseurin lebt seit 1991 in Deutschland und ist seit 1998 selbstständig. 2004 wurde sie vom damaligen Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen und heutigen Bun-despräsidenten Christian Wulff für die vollzogene Integration geehrt. ▪ ksc

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